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Smart News 17 Sep 2018

BGH erklärt Abschöpfungsklauseln in BVVG Grundstückskaufverträgen für unwirksam

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Am 17. September 2018 veröffentlichte die Pressestelle des Bundesgerichtshofs (BGH) eine Pressemitteilung zu dem mit Spannung erwarteten Urteil des V. Zivilsenats vom 14. September 2018 (Az. V ZR 12/17).

Demnach können Abschöpfungsklauseln in Grundstückskaufverträge zu Gunsten der Bodenverwertungs- und –verwaltungs GmbH (BVVG) über die vom Grundstückseigentümer aus einer Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen an Windparkbetreiber erzielten Einnahmen in bestimmten Fällen unwirksam sein.

Dieses Urteil nährt die Hoffnung unter betroffenen Grundstückseigentümern und Windparkbetreibern abgeschöpfte Pachteinnahmen von der BVVG zurückzuverlangen. Ob diese Hoffnung jedoch berechtigt ist, hängt wie so oft von den Umständen des Einzelfalls ab.

Sachverhalt

Dem Urteil des V. Zivilsenats des BGH vom 14. Septem ber 2018 lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Beklagte, die BVVG, ist ein staatliches Unternehmen, welches für die Verwertung und Verwaltung der ehemals im Volkseigentum der DDR stehenden landwirtschaftlichen Flächen verantwortlich ist. Insbesondere ist die Beklagte für die Veräußerung der Flächen nach Maßgabe des Ausgleichsleistungsgesetzes (AusglLeistG) in Verbindung mit der Flächenerwerbsverordnung (FlErwV) verantwortlich. Demnach können Berechtigte Grundstücke zur ausschließlichen landwirtschaftlichen Nutzung verbilligt erwerben. Im Gegenzug unterwerfen sich die Erwerber einer 15 jährigen Zweckbindung, wonach die erworbenen Flächen grundsätzlich nur für landwirtschaftliche Zwecke genutzt werden dürfen. Diese Zweckbindung wird in den zugrundliegenden Grundstückskaufverträgen durch entsprechende Rücktritts- und Wiederkaufsrecht gemäß § 12 FlErwV zu Gunsten der BVVG abgesichert.

Im Jahr 2005 kaufte der Kläger von der Beklagten eben solche landwirtschaftlichen Flächen zu einem gemäß § 3 AusglLeistG verbilligten Kaufpreis.

Der zugrunde liegende Kaufvertrag sah neben dem Rücktritts- und Wiederkaufsrecht gemäß § 12 FlErwV auch eine Regelung vor, nach welcher die Verpachtung der erworbenen Flächen zur Nutzung als Standort- und/oder Abstandsflächen von Windenergieanlagen nur mit Zustimmung der Beklagten möglich sei. Die Erteilung jener Zustimmung hänge demnach unter anderem davon ab, dass der Kläger im Falle einer Verpachtung bis zu 75% des auf die Gesamtnutzungsdauer der Windenergieanlage kapitalisierten Entschädigungsbetrages an die Beklagte zahlt (Abschöpfungsklausel).

Rechtliche Würdigung

Der BGH entschied nun, dass die Abschöpfungsklausel in dem zu entscheidenden Fall unwirksam ist.

Die Abschöpfungsklausel findet nach Ansicht des BGH weder innerhalb des AusglLeistG noch innerhalb der FlErwV einen entsprechenden Anknüpfungspunkt. Vielmehr räumt sich die Beklagte durch besagte Abschöpfungsklausel ein Recht ein, welches ihr per Gesetz nicht zusteht.

Die Kernaussage des BGH ist, dass die Abschöpfungsklausel entgegen der Auffassung der Beklagten nicht als Ausgleich für die Nichtausübung des ihr zustehenden Wiederkaufsrechts diene. Das Wiederkaufsrecht setzt gemäß § 12 FlErwV eine bauplanungsrechtliche Umwidmung der betroffenen Flächen voraus, wonach diese für andere als landwirtschaftliche Zwecke genutzt werden sollen. Eine solche bauplanungsrechtliche Umwidmung ergebe sich nicht aus der Nutzung der Flächen als Standort- und/oder Abstandsflächen von Windenergieanlagen, da letztere zu den im Außenbereich bauplanungsrechtlich privilegierten Vorhaben zählen. Das Wiederkaufsrecht sei, so der BGH, damit nicht einschlägig und deshalb auch nicht zur Rechtfertigung der Abschöpfungsklausel herangezogen. Dies führe zur Unwirksamkeit der Abschöpfungsklausel.

Der BGH schränkte jedoch ein, dass eine solche Abschöpfungsklausel nicht per se unwirksam sei. Insbesondere könne die Abschöpfungsklausel wirksam sein, wenn die betroffenen Flächen in tatsächlicher Hinsicht nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden und somit das der Beklagten zustehende Rücktrittsrecht gemäß § 12 FlErwV greifen würde. In einem solchen Fall könne die Abschöpfungsklausel tatsächlich als Ausgleich für die Nichtausübung des Rücktrittsrechts angesehen werden.

Bei Bewertung dieser Frage, stellte der BGH auf das Verhältnis zwischen den als Standort- und/oder Abstandsflächen genutzten Flächen und der Gesamtfläche der erworbenen Grundstücke ab. Da im vorliegenden Fall lediglich 1,4% der Gesamtfläche als Standort- und/oder Abstandfläche genutzt wurden, sah der BGH die Tatbestandsvoraussetzung des Rücktrittsrechts als nicht gegeben an. Eine Rechtfertigung der Abschöpfungsklausel scheitere somit auch unter diesem Gesichtspunkt.

Der BGH ließ jedoch offen, ob dieses Ergebnis bei einem höheren Anteil der Standort- und/oder Abstandsflächen an der Gesamtfläche der erworbenen Grundstücke anders ausfallen würde.

LPA-Fazit

Dieses Urteil ist einerseits für Grundstückseigentümer, die landwirtschaftliche Flächen vom BVVG erworben und diese anschließend an Windparkbetreiber zum Betrieb eines Windparks verpachtet haben, interessant. Diese können sich berechtigte Hoffnungen auf eine Rückforderung der an die BVVG ausgekehrten Einnahmen machen. Aber nicht nur Grundstückseigentümer können sich Hoffnung auf eine Rückforderung machen. Auch Windparkbetreibern können, je nach den Umständen des Einzelfalls, Rückforderungsansprüche gegen die BVVG zustehen.

Voraussetzung für einen etwaigen Rückforderungsanspruch ist, dass in dem Grundstückskaufvertrag mit der BVVG eine wie oben dargestellte Abschöpfungsklausel samt Zustimmungsvorbehalt enthalten ist.

Allerdings sollte nicht voreilig gehandelt werden. Der BGH hat nämlich die Abschöpfungsklausel gerade nicht per se, sondern nur für den entschiedenen Einzelfall als unwirksam eingestuft. Eine gewissenhafte Aufarbeitung der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls ist daher unerlässlich. Ein besonderes Augenmerk sollte hierbei auf die Ermittlung des Verhältnisses von der für die Windenergieanlagen genutzten Flächen zur Gesamtfläche gelegt werden, um eine Anwendbarkeit des Rücktrittsrechts gemäß § 12 FlErwV und mit die damit einhergehende Rechtfertigung der Abschöpfungsklausel auszuschließen.

Unser letzter Hinweis gilt der Verjährung. Die Rückforderungsansprüche unterfallen der dreijährigen Regelverjährungsfrist. Somit verjähren Rückforderungsansprüche über Zahlungen an die BVVG, die im Jahr 2015 getätigt wurden, bereits zum Ende dieses Jahres.

Berater:

Oliver Kirfel, LL.M.
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München
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Maximilian Amrhein
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