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Informationsbrief Financial Services 27 Aug 2018

Informationsbrief Financial Services August 2018

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Innerhalb des Jahres 2018 haben sich verschiedene rechtliche Änderungen für die Finanzindustrie ergeben, auf die wir Sie kurz aufmerksam machen möchten.

Inhalt:

A. Gesetzliche Veränderungen

  1. Fünfte Anti-Geldwäscherichtlinie
  2. Anzeigepflicht bei grenzüberschreitenden und nationalen Steuergestaltungsmodellen
  3. Entwurf eines Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften
  4. Deutscher Rentenentwurf eines Brexit-Übergangsgesetzes

B. Stellungnahmen der Finanzverwaltung

  1. Neue Vorgaben des Kommunikationshandbuchs für kapitalertragssteuerabzugsverpflichtete Kredit- und Versicherungswirtschaft: Teil II zum nationalen Anfrage- und Meldeverfahren
  2. Mitteilung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zur bevorstehenden Änderung des BMF-Schreibens „Standard für den automatischen Austausch von Finanzinformationen“

C. Entscheidungen der Gerichte

  1. EuGH-Urteil zur Sanierungsklausel
  2. EuGH-Beschluss: §50d Abs. 3 EStG 2012 iVm. 43b EStG unionsrechtswidrig
  3. Erfolglose Verfassungsbeschwerden anlässlich der Durchsuchung einer Anwaltskanzlei im Zuge des „Diesel-Abgasskandals“
  4. Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main zur Haftung einer inländischen Depotbank bei Cum/Ex-Geschäften

A. Gesetzliche Veränderungen

 

1. Fünfte Anti-Geldwäscherichtlinie

Knapp drei Jahre nach Erlass der 4. Anti-Geldwäscherichtlinie (im Folgenden: 4. AMLR; Richtlinie (EU) 2015/849 vom 20. Mai 2015 wurde die 5. Anti-Geldwäscherichtlinie verabschiedet (hiernach 5. AMLR; Richtlinie (EU) 2018/843 vom 30. Mai 2018.

a. Erweiterung des Kreises der Verpflichteten Kryptowährungen

Dienstleister, die den Umtausch von virtueller Währung in Banknoten (sog. Fiat-Währung) anbieten, sowie Anbieter elektronischer Geldbörsen (“e-wallet-provider”) werden in den Kreis der Verpflichteten einbezogen.

b. Verschärfung der allgemeinen und verstärkten Sorgfaltspflicht gegenüber Kunden

Das Führen anonymer Schließfächer durch Kredit- und Finanzinstitute wird untersagt (Art. 1 Nr. 6 der 5. AMLR). Zum anderen müssen Inhaber und Begünstigte anonymer Konten, Sparbücher und Schließfächer bis zum 10. Januar 2019 “der Anwendung der Sorgfaltspflicht gegenüber Kunden unterworfen werden.” Auch ergaben sich u.a. Änderungen hinsichtlich der verschärften Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit Drittländern mit hohem Risiko.

c. Transparenzregister und Registervernetzung

Während bislang zumindest nach deutschem Recht von allen Personen und Organisationen bei der Einsichtnahme in das Transparenzregister noch ein “berechtigtes Interesse” nachgewiesen werden musste, wird dieses Erfordernis nun entfallen. Das Transparenzregister wird also öffentlich. Umso mehr sollten Gesellschaften nicht nur im Hinblick auf § 20 Abs. 2 GWG (die Angabe-Pflicht zum Transparenzregister gilt als erfüllt, wenn sich die Daten aus dem HR ergeben), sondern auch zur “Mobilisierung” der Erleichterungen nach dem AEAO zu § 154 AO darauf achten, dass ihre Handelsregister-Daten vollständig sind, vgl. Interview mit Bloomberg BNA, Juni 2018.

Ferner soll auf europäischer Ebene die Vernetzung der Register vorangetrieben werden. Als Vorbild dient hier die Registervernetzung der Handels- und Gesellschaftsregister nach der Richtlinie (EU) 2017/1132. Auch soll die Ermittlung aller natürlichen oder juristischen Personen mit einem IBAN-identifizierbaren Zahlungs- bzw. Bankkontos bei einem Kreditinstitut durch ein zentrales Register oder ein zentrales elektronisches Datenabrufsystem erleichtert werden. Vorbild eines solchen Abrufsystems ist anscheinend das “deutsche” Kontenabrufverfahren nach § 24c KWG (ggf. iVm. § 93b Abs. 1a AO).

 

2. Anzeigepflicht bei grenzüberschreitenden und nationalen Steuergestaltungsmodellen

Sowohl auf europarechtlicher, als auch nationaler Ebene drohen Anzeigepflichten. Am 25. Juni 2018 ist die sechste Amtshilferichtlinie (Richtlinie (EU) 2018/822) zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU betreffend den verpflichtenden automatischen Informationsaustausch im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige, grenzüberschreitende Gestaltungen in Kraft getreten. Inhaltlich regelt die Richtlinie die Offenlegung von grenzüberschreitenden Steuerplanungsmodellen durch “Intermediäre” und Steuerpflichtige (gemeinsam Verpflichtete). Die Richtlinie sieht einen automatischen Datenaustausch zwischen den Steuerbehörden der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten vor, um Gefahren der Steuervermeidung mit entsprechenden Maßnahmen begegnen zu können. Die Richtlinie muss bis zum 31. Dezember 2019 in nationales Recht umgesetzt werden. Die auf der Richtlinie basierende nationale Regelung ist demnach ab dem 01. Juli 2020 anwendbar.

Die Richtlinie lässt viele Fragen offen. Unklar ist dabei insbes. der Begriff des Intermediary. Der EBF zufolge sind Banken nicht an der Konzeption und Vermarktung von entsprechenden Steuergestaltungen beteiligt. Eine Anzeigepflicht würde durch Banken ohnehin nicht erfüllbar sein. Ihnen fehlten ausreichende Informationen, mit deren Hilfe sie eine grenzüberschreitende Steuergestaltung, die den Kennzeichen aus dem Anhang der 6. DAC entspricht, ermitteln könnten. In einem Brief hat der EU-Kommissar Moscovici für Finanzdienstleister, die lediglich ein Bankkonto führen (“only provide the service of maintaining a bank account for a customer”) angedeutet, diese von dem Begriff des Intermediary ausnehmen zu wollen. Als unverbindliche Stellungnahme ergibt sich daraus keine Rechtssicherheit. Wir empfehlen daher, risikoorientiert zu prüfen, welche Bereiche bei einer extensiven Auslegung der Richtlinie betroffen sein könnten. Sollten Finanzdienstleister als Intermediary wegfallen, würde die Meldepflicht wohl auf die Steuerpflichtigen zurückfallen, gelten doch für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nach dem jeweiligen Berufsrecht Verschwiegenheitspflichten, die auch europarechtlich Beachtung finden.

Die Richtlinie sieht eine “rückwirkende” Meldepflicht (bis zum 31. Aug. 2020) auch für grenzüberschreitende Gestaltungen zwischen dem Inkrafttreten und dem Datum des Beginns der Anwendung der Richtlinie vor, bei der unklar ist, wie sie praktisch zu erfüllen sein soll (fehlt doch jede nationale Umsetzungsgesetzgebung) und ob diese Anordnung überhaupt rechtlich vorgesehen werden darf. Ein entsprechendes OECD-Modell für Meldepflichten bei CRS-Avoidance Schemes scheint sich wohl nicht durchsetzen zu können.

Hinzu kommt aber vermutlich bald eine nationale Meldepflicht für Steuergestaltungen. Auf der Landesfinanzministerkonferenz am 21. Juni 2018 haben sich die Landesfinanzminister für die Einführung einer Meldepflicht von nationalen Steuergestaltungsmodellen in Anlehnung an die benannte EU-Richtlinie ausgesprochen. Der Entwurf selbst ist bislang nicht öffentlich. Umfasst sein sollen dabei Gestaltungen, die dazu dienen, den deutschen Steueranspruch zu verringern, die Entstehung des Steueranspruchs in andere Besteuerungszeiträume zu verschieben oder Ansprüche auf Steueranrechnung bzw. -erstattung zu begründen. Ausgenommen von der Meldeverpflichtung sollen dabei Gestaltungen werden, die bereits nachweislich bekannt sind oder bei natürlichen Personen, deren Summe der positiven Einkünfte in mindestens zwei der letzten drei Jahre nicht mehr als 500.000 Euro betragen hat. Von einer Steuergestaltung soll u.a. nicht auszugehen sein, wenn im Einzelfall der Barwert des Steuervorteils insgesamt 50.000 Euro nicht übersteigt. Die Meldung muss eine Beschreibung der Steuergestaltung und der daraus resultierenden steuerlichen Auswirkungen enthalten. Dabei muss der Name des Steuerpflichtigen nicht offengelegt werden. Bei Missachtung der Pflicht zur Meldung droht dem jeweils Verpflichteten eine Bußgeldzahlung von bis zu 100.000 Euro.

 

3. Entwurf eines Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weitere steuerlicher Vorschriften

Der ehem. Referentenentwurf eines “Jahressteuergesetzes 2018” ist nunmehr in o.g. Regierungsentwurf umbenannt worden. Hervorzuheben sind insbesondere die Regelungen zur Verhinderung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren auf elektronischen Marktplätzen im Internet (§§ 22f und 25e n.F. UStG). Grundsätzlich haftet der Betreiber eines elektronischen Marktplatzes nach Abs. 1 für die nicht entrichtete Steuer aus der Lieferung eines Unternehmers, die auf dem von ihm bereitgestellten Marktplatz rechtlich begründet worden ist. Die Absätze 2 und 3 eröffnen dem Betreiber die Möglichkeit sich gegenüber dem Finanzamt zu exkulpieren, wenn besonderen Aufzeichnungspflichten entsprochen wird.

Auch im Einkommensteuergesetz stehen relevante Änderungen an:
So wurde die Regelung des § 44a Abs. 10 S. 3 Nr. 3 EStG (zur Verhinderung von cum/cum-Geschäften) dahingehend geändert, dass nunmehr bei der Zahlung von Kapitalerträgen die auszahlende Stelle bei steuerbefreiten, gemeinnützigen Gläubigern einen Steuerabzug in Höhe von drei Fünfteln vorzunehmen hat, wenn die Kapitalerträge einen Betrag von 20.000 Euro übersteigen und der Gläubiger beim Zufluss dieser nicht mindestens seit einem Jahr ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien oder Genussscheine ist.

Des Weiteren wird normiert, dass Veräußerungen von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft beschränkt steuerpflichtige Einkünfte im Sinne des § 49 EStG darstellen, wenn der Anteilswert an der Kapitalgesellschaft in irgendeinem Zeitpunkt während der 365 Tage vor der Veräußerung unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50 Prozent auf inländischem unbeweglichem Vermögen beruhte und die Anteile dem Veräußerer zu diesem Zeitpunkt zuzurechnen waren (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. e cc n.F. EStG). Des Weiteren umfasst das Jahressteuergesetz 2018 u.a. Folgeänderungen zum Investmentsteuerreformgesetz 2018, z.B. Teilfreistellung nach InvStG und Organschaft (§ 15 KStG).

Zu den Neuerungen des Regierungsentwurfes im Hinblick auf die Sanierungsklausel, vgl. unten.

 

4. Deutscher Rentenentwurf eines Brexit-Übergangsgesetzes

Das Auswärtige Amt hat den Entwurf eines Gesetzes für den Übergangszeitraum nach Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union veröffentlicht. Konkret geht es um den Zeitraum vom 30. März 2019 bis 31. Dezember 2020. Für diesen Zeitraum schlägt das Auswärtige Amt vor, Großbritannien (vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen) nach dt. Bundesrecht weiter als Mitgliedstaat der Europäischen Union zu behandeln. Das Inkrafttreten des Gesetzes ist inhaltlich an das Inkrafttreten des Austrittsabkommens für den o.g. Übergangszeitraum geknüpft, das sich aber – insbesondere wegen des Status von Nordirland (betr. der Zollunion) – noch in Verhandlungen befindet. Über die sonst bzw. ggf. danach drohenden Folgen hatten wir in unserem letzten Newsletter berichtet.

 

B. Stellungnahme der Finanzverwaltung

 

1. Neue Vorgaben des Kommunikationshandbuchs für kapitalertragssteuerabzugsverpflichtete Kredit- und Versicherungswirtschaft: Teil II zum nationalen Anfrage und Meldeverfahren

Bei Kapitalerträgen erfolgt der Kirchensteuerabzug im Rahmen eines automatisierten Abfrageverfahrens. Hierzu erfolgt durch den KiStAV bei dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) jährlich zum Stichtag 31. August, im Zeitraum vom 1. September bis zum 31. Oktober, eine Abfrage zur Kirchensteuerpflicht des Steuerpflichtigen als Gläubiger der Kapitalerträge (sog. Regelabfrage). Das Ergebnis der Regelabfrage entfaltet ab dem folgenden Kalenderjahr Wirkung. Neben Regelabfragen sind in bestimmten Fällen durch die KiStAV Anlassabfragen (insbesondere bei der Begründung einer Geschäftsbeziehung und auf Veranlassung des Kunden) möglich. Anfragen können auf verschiedenen Kanälen an das BZSt übermittelt werden.

Das Kommunikationshandbuch setzt veränderte Vorgaben für das Abfrageverfahren mittels ELMA fest. Der jeweilige Anfragedatensatz wird in Zukunft mit der Angabe einer Anfrageart konkretisiert. Dabei gibt es drei Anfragearten:

1. Anfrageart 1 kennzeichnet, dass (nur) eine IdNr. abgefragt werden soll.
2. Anfrageart 2 kennzeichnet die Abfrage eines KiStAM mittels einer IdNr. und eines Geburtsdatums.
3. Des Weiteren gibt es die Anfrageart 3, eine sog. „kombinierte Anfrage“, bei der eine IdNr. und ein KiStAM mit Personendaten abgefragt werden soll.

Die Anlass- und Regelanfragen des KiStAM können jeweils bei den Anfragearten 2 und 3 vorkommen, Nr. 1 bezieht sich auf die Kontenwahrheit nach § 154 AO. Eine Anfragedatei kann bei der Übermittlung über ELMA eine Mischung der Anfragearten 1, 2 und 3 enthalten. Insbesondere können auch Anlass- und Regelanfragen für die Anfragearten 2 und 3 gemischt enthalten sein. Demnach ist es auf Grundlage dieses Handbuchs zu empfehlen, bei jeder Begründung einer Geschäftsbeziehung eine Anlassabfrage der Anfrageart 3 vorzunehmen, um eine IdNr und – soweit das Produkt abgeltungssteuerpflichtig ist – zugleich das KiStAM abzufragen.

 

2. Mitteilung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zur bevorstehenden Änderung des BMF-Schreibens „Standard für den automatischen Austausch von Finanzinformationen“

Mit dem Gesetz zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen (FKAustG) wurde der OECD-Meldestandard für den Austausch von Finanzinformationen auf nationaler Ebene geregelt. Für Anwendungsfragen im Umgang mit dem OECD-Meldestandard erließ das BMF am 01. Februar 2017 das Schreiben “Standard für den automatischen Austausch von Finanzinformationen in Steuersachen“. Nach “Peer-Review”-Prüfung der Umsetzung des OECD-Meldestandards durch die “OECD AEOI Working Group”, wurde von der OECD die Empfehlung ausgesprochen, dass Deutschland wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen solle, um sicherzustellen, dass Finanzinstitute bei Neukonten ausnahmslos eine gültige Selbstauskunft erhalten. Als Lösungsvorschlag soll das o.g. BMF-Schreiben um die folgenden Passagen in Rz. 230 ergänzt werden:

Erfolgt binnen von 90 Tagen nach Einreichung des Kontoeröffnungsantrags keine, keine richtige, keine vollständige oder eine nicht rechtzeitige Meldung durch das Finanzinstitut auf Grundlage einer gültigen Selbstauskunft, kommt § 28 Abs. 1 FKAustG zur Anwendung. Demnach handelt es sich in benannten Fällen um eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro geahndet werden kann. Ist das meldende Finanzinstitut nicht in der Lage, eine gültige Selbstauskunft für die Neukonten zu beschaffen, so ist dies nicht zu beanstanden, wenn für diese Geschäftsbeziehung keine Transaktionen über die Konten abgewickelt werden, bis eine gültige Selbstauskunft vorliegt.

Die angedachte Ergänzung käme einem Transaktionsverbot bei Nichtvorlage einer gültigen Selbstauskunft gleich, obwohl nach den neuen Auslegungshinweisen der BaFin zum GWG § 10 Abs. 9 auf die steuerrechtlichen Anforderungen nach § 154 Abs. 2a AO ausdrücklich nicht analog anwendbar sein soll:

Bei den nach § 154 Abs. 2a AO auch in Bezug auf jeden wirtschaftlich Berechtigten im Sinne des GwG stets zu erhebenden Angaben handelt es sich um steuerrechtlich geforderte Angaben, d.h. um Angaben aufgrund eines vom Geldwäscherecht unter-schiedlichen Regelungskreises. Können diese Angaben nicht erhoben werden, führt dies nicht zur Beendigungsverpflichtung gemäß § 10 Abs. 9 GwG.”

 

C. Entscheidungen der Gerichte

 

1. EuGH-Urteil zur Sanierungsklausel

Mit Urteil vom 28. Juli 2018 hat der EuGH entschieden, dass die (im vorauseilenden Gehorsam aufgehobene) “Sanierungsklausel” zum Erhalt der Verlustvorträge nach § 8c Abs. 1a KStG keine unzulässige Beihilfe darstellt(e). Der Auffassung der Europäischen Kommission, wonach die “Sanierungsklausel” eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV (vgl. Beschluss vom 26. Januar 2011) sei, wurde widersprochen. Die Europäische Kommission habe das falsche Referenzsystem im Rahmen der deutschen Besteuerung zugrunde gelegt, Regelfall sei die Fortführung der Verlustvorträge, § 8c Abs. 1a KStG mangele es damit an der für eine Beihilfe erforderlichen “Selektivität”.

Damit ist nun zu hoffen, dass die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG nach § 34 Abs. 6 S. 3 KStG rückwirkend anwendbar wird, sobald die Bekanntmachung der Entscheidung des EuGH durch das BMF im BGBl erfolgt und die betr. Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind.

Die Unklarheit, ob die Voraussetzungen von § 34 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 KStG dann als erfüllt anzusehen sein wird, und die Unsicherheiten wegen der Entscheidung des BVerfGE zur Verfassungswidrigkeit von § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG (v. 12. Mai 2017, 2 BvL 6/11) versucht die Bundesregierung nun im unter A.3. genannten Gesetzesvorhaben (vgl. oben) mit folgender Klausel zu beseitigen (kein pro-rata Verlustfortfall für Erwerbe vor 1.1.2016; Erwerbe davor bleiben aber nach der Begründung des Entwurfes “Zählerwerbe” für die Zeit danach; Sanierungsklausel rückwirkend anwendbar):

“(6) Die Rechtsfolgen des § 8c Satz 1 in der Fassung des Artikels 2 des Gesetzes vom 14. August 2007 (BGBl. I S. 1912) sowie des § 8c Absatz 1 Satz 1 sind auf schädliche Beteiligungserwerbe nach dem 31. Dezember 2007 und vor dem 1. Januar 2016, nicht anzuwenden. § 8c Absatz 1a in der Fassung des Artikels 2 des Gesetzes vom 22. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3950) findet erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 und auf Anteilsübertragungen nach dem 31. Dezember 2007 Anwendung. Erfüllt ein nach dem 31. Dezember 2007 erfolgter Beteiligungserwerb die Voraussetzungen des § 8c Absatz 1a, bleibt er bei der Anwendung des § 8c Absatz 1 Satz 1 und 2 unberücksichtigt. § 8c Absatz 1 Satz 5 in der am 1. Januar 2016 geltenden Fassung ist erstmals auf Beteiligungserwerbe anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2009 erfolgen.”

Sollte also im Einzelfall der Verlustfortfall über § 8c KStG drohen, sollte ggf. eine Bestandskraft verhindert werden. Trotz der gesetzlichen Neuregelung scheint das letzte Wort hier noch nicht gesprochen worden zu sein.

 

2. EuGH-Beschluss: § 50d Abs. 3 EStG 2012 iVm. 43b EStG unionsrechtswidrig

Durch Beschluss v. 14.6.2018 hat der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren GS/Bundeszentralamt für Steuer, Vorlagebeschluss FG Köln v. 17.5.2017 – 2 K 773/16 entschieden, dass § 50d Abs. 3 EstG 2012 i. V. m. § 43b EStG unionsrechtswidrig ist. Der Beschluss ist sowohl mit der Muttertochterrichtlinie (in Deutschland umgesetzt über § 43b EStG) als auch mit der Niederlassungsfreiheit begründet. Insofern hat die Entscheidung u.E. Signalwirkung auch für andere Rechtsgebiete (insbes. § 8 Abs. 2 AStG; vgl. insoweit zum aktuellen Diskussionsstand Haase, ifst-Schrift 521 (2017)). Droht die Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG, sollte also Rechtsschutz gesucht werden.

 

3. Erfolglose Verfassungsbeschweren anlässlich der Durchsuchung einer Anwaltskanzlei im Zuge des „Diesel-Abgasskandals“

Anlässlich des “Diesel-Abgasskandals” führte die Staatsanwaltschaft München II im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Betruges und strafbarer Werbung gegen Mitarbeiter der Volkswagentochter, Audi AG, Durchsuchungen der Geschäftsräume der US-Anwaltskanzlei “Jones Day” in München durch. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschied nun am 27. Juni 2018 durch drei Nichtannahmebeschlüsse, dass die Staatsanwaltschaft die dabei beschlagnahmten Unterlagen auswerten darf. Beschwerdeführer waren zum einen die Volkswagen AG, zum anderen die US-Kanzlei “Jones Day” sowie die dort tätigen deutschen Rechtsanwälte.

Die US-Kanzlei soll sich danach als ausländische juristische Person nicht auf materielle Grundrechte berufen dürfen. Entscheidend dafür, ob eine juristische Person als inländisch oder als ausländisch angesehen werden könne, sei die Sitztheorie, welche auf den Sitz der juristischen Person abstellt. Aus dem Standort in Deutschland, der vorliegend kein ausreichendes Maß an organisatorischer Eigenständigkeit aufweise, könne die amerikanische Kanzlei allein keine eigene Grundrechtsposition ableiten. An diesem Ergebnis ändere die Anstellung von deutschen Rechtsanwälten grundsätzlich nichts. Diese hätten wiederum im vorliegenden Fall nicht darlegen können, in eigenen Grundrechten verletzt worden zu sein.

Dem BVerfG nach stelle die Beschlagnahme der im Rahmen der Durchsuchung gewonnenen Unterlagen zwar einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 GG dar, doch sei dieser Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da er auf einer strafprozessualen Grundlage beruhe und das Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO nicht eingreife. Demnach sei § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO eng auszulegen, sodass nur das Vertrauensverhältnis zwischen dem Zeugnisverweigerungsberechtigten und dem im konkreten Strafverfahren Beschuldigten durch die Vorschrift geschützt sei. Jedoch habe sich die Volkswagen AG im Zeitpunkt der Durchsuchung nicht in einer einem Beschuldigten entsprechenden Stellung befunden, sondern vielmehr die Tochtergesellschaft Audi AG. Erstrecke sich der Beschlagnahmeschutz auf sämtliche Mandatsverhältnisse unabhängig von einer konkreten Beschuldigtenstellung des Mandanten, bestünde ein hohes Missbrauchspotenzial. Dem Interesse eines Mandanten am Schutz der seinem Rechtsanwalt oder einem anderen Berufsgeheimnisträger anvertrauten Informationen stehe das verfassungsrechtliche Gebot einer effektiven Strafverfolgung und das öffentliche Interesse an einer vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren gegenüber.

Durch diese Beschlüsse wird das Vertrauensverhältnis der anwaltlichen Beratung untergraben. Bei allem berechtigten Unmut über den Dieselskandal kommt hinzu, dass hiermit negative Incentives für die Aufarbeitung von möglichen Compliance-Unstimmigkeiten gesetzt werden. Eine konzernweite Aufbereitung ist unmöglich, wenn der Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheit erst im Stadium der formalen Beschuldigtenstellung gewährt wird. Der gesamte Wirtschafts-Bereich Forensic Services sowie die Zusammenarbeit von Compliance, Rechts-, Steuer- und Interner Revision mit externen Beratern wird sich an die Fehlentscheidungen anpassen müssen. Einen wirksamen Schutz vor Beschlagnahmen gibt es damit nur noch im “deutschen” Strafverfahren (nach dessen Einleitung gegen den Beschuldigten), insbesondere aber nicht im präventiven “Compliance”-Bereich oder zur Abwendung/Reduzierung ausländischer Strafmaßnahmen.

Je nach Ausgestaltung des “Brexit” könnten die Beschlüsse auch für englische Kanzleien mit Büros in Deutschland von Bedeutung sein.

 

4. Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main zur Haftung einer inländischen Depotbank bei Cum/Ex-Geschäften

Für den Finanzmarkt weiter von systemischer Bedeutung war das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main v. 25.04.2018 (Az. 2 12 O 262/16). Wie zunächst das Handelsblatt berichtete, ist die Société Générale von der Helaba auf 22,9 Mio. Euro Schadensersatz verkla´gt worden. Das Landgericht Frankfurt sah eine Nebenpflicht der Beklagten (nach §§ 280, 241 Abs. 2 BGB) verletzt, weil sie bei den Cum/Ex gehandelten Wertpapieren eine Kapitalertragssteuerbescheinigung ausgestellt hatte, ohne die entsprechende Steuer (nach §§ 44 Abs. 1 S. 3, 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 4 EStG) abzuführen. Auch wenn die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist und das Verfahren nunmehr am OLG anhängig ist (Az. 1 U 111/2018), führt sie dazu, dass die zivilrechtliche Aufbereitung der Cum/Ex-Fragestellungen in eine nächste Phase übergeht (zu den gesetzgeberischen Maßnahmen gegen Cum/Ex u. Cum/Cum vgl. Interview mit Bloomberg BNA, Dezember 2017).