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Smart News 09 Sep 2020

Mietzahlungspflicht für Verkaufsflächen besteht trotz pandemiebedingter Schließung

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Einführung

Mit Urteil vom 30. Juli 2020 arbeitet das LG Heidelberg (Az. 5 O 66/20) aktuelle Gewerbemietrechtsfragen hinsichtlich der fortdauernden Corona-Pandemie auf und bestätigt die grundsätzliche Fortzahlungspflicht des Mietzinses für die Monate März und April 2020, obwohl die Mietsache (ein Einzelhandelsgeschäft) aufgrund der einschlägigen landesrechtlichen Verordnung zur Eindämmung des Covid-19 Infektionsgeschehens (“Corona-Verordnung“) nicht genutzt werden konnte.

Der Fall

Zwischen den Parteien besteht ein Mietvertrag über Geschäftsräume zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerflächen für Produkte des täglichen Ge- und Verbrauchs. Der Mietzins setzt sich aus einer Mindestmiete sowie einer Umsatzmiete zusammen. Zwischen dem 18. März 2020 und dem 19. April 2020 konnte der Mieter das Ladengeschäft aufgrund der Corona-Verordnung nicht für den Kundenverkehr öffnen und entrichtete aus diesem Grund für den vorgenannten Zeitraum keinen Mietzins – hiergegen klagte der Vermieter.

Die Entscheidung des LG Heidelberg

Das LG Heidelberg gab der Klage des Vermieters statt.

Mangels ausdrücklicher vertraglicher Regelungen im Mietvertrag (z.B. Haftungsbeschränkungen oder einer sog. Force-Majeure-Klausel) beurteilte das Gericht die Mietzahlungspflicht vorrangig nach dem mietrechtlichen Sachmängelgewährleistungsrecht, §§ 536 ff. BGB.

  • Kein Mangel der Mietsache

Nach Auffassung des Gerichts stelle die verordnungsbedingte Nutzungseinschränkung keinen Mangel der Mietsache im Sinne des § 536 BGB dar. Die Corona-Verordnung stelle gerade nicht auf die Beschaffenheit der Mietsache, sondern allein auf den Betrieb des Mieters und den Umstand, dass in den betroffenen Flächen Publikumsverkehr stattfinde und dies Infektionen begünstige, ab. Die Mietsache selbst sei mit Blick auf ihre bauliche Beschaffenheit und Lage zur Nutzung als Einzelhandelsgeschäft in gleicher Weise geeignet wie vor dem Erlass der Corona-Verordnung. Betriebsbedingte Nutzungseinschränkungen lägen aber im Risikobereich des Mieters.

  • Keine Unmöglichkeit

Ferner läge auch keine Unmöglichkeit hinsichtlich der Hauptleistungspflicht des Vermieters – dem Überlassen der Mietsache – gem. § 275 BGB vor. Die Corona-Verordnung schränke zwar die Nutzung des Mieters ein, nicht jedoch die Nutzungstauglichkeit des überlassenen Objektes. Das Gesetz (§ 537 BGB) weise das Verwendungsrisiko dem Mieter zu.

  • Kein Wegfall der Geschäftsgrundlage

Schließlich komme auch eine Vertragsanpassung aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB nicht in Betracht.

Fraglich sei, ob die eng auszulegende Ausnahmevorschrift des § 313 BGB im vorliegenden Fall überhaupt Anwendung finde. Durch die Vereinbarung einer Umsatzmiete beteilige sich der Vermieter zwar, zumindest mittelbar, an dem eigentlich beim Mieter liegenden Verwendungsrisiko. Wenn es (wie hier) lediglich um die Mindestmiete geht, sei aber gerade keine Beteiligung des Vermieters am Verwendungsrisiko gewollt und vereinbart.

Ungeachtet des Vorstehenden, fehle es jedenfalls an der Unzumutbarkeit der Mietfortzahlung. Das Maß der Unzumutbarkeit sei nur bei substantiierter Darlegung des Mieters, dass er in seiner Existenz gefährdet sei, erreicht. Zu Lasten des Mieters hat das Gericht außerdem berücksichtigt, dass er in der Zeit der Ladenschließung in keiner Weise Bemühungen bezüglich der Umsatzgenerierung (wie z.B. Ausbau des Onlinehandels, Bemühungen um staatliche Hilfen) veranstaltet habe. Schließlich spreche auch der kurze Zeitraum der Schließung von gerade einmal 26 Arbeitstagen entschieden gegen die Annahme einer unzumutbaren wirtschaftlichen Beeinträchtigung des Mieters.

LPA-Fazit

Obwohl die – u.E. richtige – Entscheidung des LG Heidelberg durchaus eine Tendenz dahingehend erkennen lässt, dass ähnliche Sachverhalte auch künftig zu Gunsten des Vermieters entschieden werden könnten, kann sie nicht als allgemein gültig angesehen werden.

Aus der detaillierten Urteilsbegründung geht hervor, dass das Schicksal der Mietzahlungspflicht in erster Linie von (1) der Ausgestaltung des zugrunde liegenden Mietvertrages, (2) dem Inhalt der hoheitlichen Verordnung sowie (3) den konkreten Umständen des zugrundeliegenden Sacherhalts (Stichworte: “Existenzgefährdung/Unzumutbarkeit/Dauer der Nutzungsbeschränkung“) abhängt. Vorstehende Punkte müssen daher stets einzelfallabhängig geprüft und bewertet werden.