Informationsbriefe

Informationsbriefe

Zurück
Smart News 10 Jun 2020

Wasserstoffstrategie der Bundesregierung beschlossen 9 Milliarden EUR für den Markthochlauf

pdf-lnk

Einführung

Wasserstoff lässt sich durch Aufspalten von Wasser (Elektrolyse) nahezu klimaneutral herstellen, solange hierfür Strom aus erneuerbaren Energiequellen verwendet wird. Derartiger „grüner“ Wasserstoff kann eingesetzt werden, um Wind- und Solarstrom zu speichern, und er kann in anderen Bereichen als klimaschonende Alternative verwendet werden.

Grüner Wasserstoff kann Klimagasemissionen verringern, wenn er in Prozessen der Industrie (z.B. Stahl, Chemie) und in der Kraftstoffherstellung (Raffinerien) zum Einsatz kommt. Im Verkehrssektor kann grüner Wasserstoff für Brennstoffzellenantriebe in Zügen, Autos und LKW verwendet werden sowie zur Herstellung von strombasierten Kraftstoffen („e-fuels“), die auch im Flugverkehr benötigt werden. Mit Brennstoffzellenheizungen können Gebäude beheizt werden. Hierzu kann Wasserstoff auch lokal erzeugt und gespeichert werden.

Situation

Wasserstoff-Projekte scheitern bislang zumeist an zwei Hindernissen: Es fehlt ein Absatzmarkt für grünen Wasserstoff und die Herstellungskosten des grünen Wasserstoffs sind aufgrund der hohen Stromnebenkosten (insbesondere der EEG-Umlage) zu hoch.

Ziele

Am 10. Juni 2020 hat die Bundesregierung ihre Wasserstoffstrategie beschlossen. Diese soll den Markthochlauf der Wasserstofftechnologie herbeiführen. Dafür sind konkrete Ziele vorgesehen:

In einem ersten Schritt sollen bis zum Jahr 2030 Erzeugungsanlagen für Wasserstoff mit bis zu 5 Gigawatt (GW) Gesamtleistung entstehen, bis 2040 sogar mit bis zu 10 GW.

  • Zum Vergleich: Stand heute gibt es in Deutschland erst Erzeugungsanlagen mit einer elektrischen Aufnahmeleistung von knapp über 30 Megawatt. Die geplante Anlagenleistung muss also nahezu vollständig neu aufgebaut werden. Bei einer sehr optimistischen Kalkulation der Investitionskosten von 1.000 EUR/Kilowatt ergibt sich für die ersten 5 GW Anlagenleistung bis 2030 ein Investitionsvolumen von 5 Mrd. EUR.

Darüber hinaus soll viel geforscht und ausprobiert werden und die deutsche Industrie soll eine Vorreiterrolle einnehmen.

Umsetzung

Verbesserte Rahmenbedingungen: Die Befreiung der Produktion grünen Wasserstoffs von der EEG-Umlage wird angestrebt und insgesamt soll eine Reform der Stromnebenkosten geprüft werden. Dies sind entscheidende Elemente, um einen Business Case für Wasserstoff-Erzeugungsanlagen zu ermöglichen.

  • Die Wasserstoffstrategie ist an dieser Stelle noch sehr vage. Hier wird es auf die konkrete Umsetzung im Detail ankommen. Eine generelle Ausnahme des Strombezugs von den Stromnebenkosten und insbesondere von der EEG-Umlage ist wohl nicht zu erwarten.
  • Als mögliche Voraussetzung für eine Befreiung wird die „Netzdienlichkeit“ des Strombezugs angeführt, an anderer Stelle wird der Strom aus Offshore-Windenergie als besonders geeignet für die Herstellung von Wasserstoff hervorgehoben. Das deutet darauf hin, dass Befreiungen von den Stromnebenkosten nur in speziellen Konstellationen zugelassen werden.
  • Entscheidend wird sein, über wie viele Benutzungsstunden eine Wasserstoff-Erzeugungsanlage den Strom ohne Nebenkosten beziehen darf und ob dies für einen positiven Business Case ausreicht. Das hängt von den Details ab, die noch nicht vorliegen.
  • Die Netzbetreiber dürfen ein bis zwei Pilotprojekte umsetzen. Die delikate Frage, ob und wie die Entflechtung der Netzbetreiber von Produktions- und Vertriebsaktivitäten gewährleistet bleibt, soll dabei geprüft werden.

Fördermaßnahmen: 7 Mrd. EUR sind für den Markthochlauf in Deutschland vorgesehen, weitere 2 Mrd. EUR für internationale Partnerschaften.

  • Konkret sind Investitionskostenzuschüsse für Erzeugungsanlagen für Wasserstoff zur Umstellung von Prozessen in der Industrie vorgesehen.
  • Betriebskosten für Anwendungen in der Industrie sollen über eine Förderung der Differenzkosten im Vergleich zu Emissionszertifikaten gesenkt werden.
  • Ausschreibungsmodelle für die Herstellung von grünem Wasserstoff werden geprüft, z.B. zur Dekarbonisierung in der Stahl- und Chemieindustrie.
  • Förderprogramme für Anlagen zur Herstellung von strombasierten Kraftstoffen, einschließlich „e-Flugbenzin“ für den Flugverkehr, sollen aufgelegt werden.

Quotenregelungen: Die Nachfrage nach grünem Wasserstoff soll vor allem durch Quoten gesteigert werden.

  • Durch eine bessere Anrechnung auf die vorgeschriebene Treibhausgasreduktion bei Kraftstoffen durch Beimischung von strombasierten Kraftstoffen oder durch die Verwendung von grünem Wasserstoff bei der Produktion von Kraftstoffen.
  • Eine Quote für e-Flugbenzin wird geprüft, eine Höhe von 2% bis 2030 ist vorgesehen.
  • Auch für „grünen Stahl“, bei dessen Produktion die Klimagasemissionen durch den Einsatz von grünem Wasserstoff verringert werden, ist eine Quote geplant. Zur Höhe gibt es noch keine Angaben.

Bewertung

Die Zielsetzungen der Wasserstoffstrategie sind konkret und ambitioniert, wobei einzelne Bereiche nur unverbindlich für die Zukunft vorgesehen werden.

Der Zeitplan könnte sich als zu sportlich erweisen, sollen doch fast alle Maßnahmen noch 2020 starten, obgleich dafür noch sehr viele Details zu regeln sind. Gleichwohl ist ein Paradigmenwechsel in der Politik erkennbar, die bisher eher kosmetische Forschungsprogramme für ausreichend hielt.

Zusätzlich wird sehr viel mehr Solar- und Windstrom in Deutschland erzeugt werden müssen als bislang geplant, um die genannten Wasserstoffmengen herzustellen.

Wasserstoff aus fossilen Quellen findet keine Berücksichtigung in der Wasserstoffstrategie. Diese ist ganz auf grünen Wasserstoff ausgerichtet. Nur übergangsweise soll auch „blauer“ oder „türkiser“ Wasserstoff verwendet werden, der unter Abtrennung von CO2 hergestellt wird.

als PDF anzeigen