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 Insolvenz des Gewerbemieters

Vorwort

Zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie hatte der Gesetzgeber das Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) erlassen, wodurch die Insolvenzantragspflicht bis zum 30. April 2021 ausgesetzt war, sofern die Insolvenzreife durch die Covid 19-Pandemie bedingt wurde. Dies hat dazu geführt, dass trotz andauernder Wirtschaftskrise die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland für das Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist. Es wird jedoch erwartet, dass die Anzahl der Insolvenzanträge mit der Rückkehr zur Insolvenzantragspflicht ab dem 1. Mai 2021 rapide ansteigen wird.

Diese FAQs erläutern ausgewählte Fragen, die im Fall der Insolvenz des Gewerbemieters häufig vom Vermieter gestellt werden. Sie dienen dazu, professionellen Immobilieninvestoren eine erste Orientierung zu verschaffen.

1. Welche Auswirkung hat der Insolvenzfall auf den Fortbestand des Mietverhältnisses?

  • Grundsätzlich endet das Mietverhältnis nicht, sondern besteht nach Insolvenzeröffnung mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort (§ 108 InsO).
  • Der Insolvenzverwalter hat jedoch ein Sonderkündigungsrecht mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Monatsende (§ 109 InsO). Übt der Insolvenzverwalter sein Sonderkündigungsrecht nicht aus, ist er grundsätzlich zur Zahlung der Miete verpflichtet (vgl. hierzu auch FAQ Nr.3)

2. Kann der Vermieter das Mietverhältnis kündigen?

  • Nach Insolvenzantragstellung kann der Vermieter das Mietverhältnis nicht mehr wegen rückständiger Mieten kündigen, wenn der kündigungsrelevante Rückstand in der Zeit vor Antragstellung entstanden ist (Kündigungssperre, § 112 InsO).
  • Die Kündigungssperre gilt jedoch dann nicht, wenn der kündigungsrelevante Rückstand in der Zeit nach Insolvenzantragstellung entstanden ist. In diesem Fall kann der Vermieter das Mietverhältnis nach den allgemeinen Regelungen kündigen. Dies ist jedoch nicht immer ratsam und sollte daher eng mit den eigenen Beratern abgestimmt werden (z.B. wenn Neuvermietung schwierig erscheint und ein Teil der Miete noch gezahlt wird).
  • Vor Insolvenzantragstellung ausgesprochene Kündigungen des Vermieters wegen Zahlungsverzugs sind von der Kündigungssperre ebenfalls nicht erfasst.

3. Was passiert mit Mietrückständen bzw. Nachzahlungsforderungen aus Nebenkostenabrechnungen?

  • Mietrückstände oder Nebenkostennachzahlungsforderungen, die im Zeitraum vor Insolvenzeröffnung entstanden sind, stellen Insolvenzforderungen dar, die zur Tabelle anzumelden sind. Regelmäßig wird der Vermieter hierfür eine (geringe) quotale Befriedigung aus dem Verwaltungserlös erhalten.
  • Mietrückstände oder Nebenkostennachzahlungsforderungen, die im Zeitraum nach Insolvenzeröffnung entstanden sind, stellen hingegen Masseverbindlichkeiten dar und müssen vom Insolvenzverwalter vorrangig vollständig bezahlt werden, solange die Masse hierfür ausreicht und keine Masseunzulänglichkeit angezeigt wurde. Wurde Masseunzulänglichkeit angezeigt, werden auch die Masseverbindlichkeiten lediglich quotal befriedigt.
  • Etwaige Guthaben aus Nebenkostenabrechnungen müssen nicht an den Insolvenzverwalter ausgekehrt werden, sondern können mit Insolvenzforderungen verrechnet werden.

4. Kann die Mietsicherheit im Insolvenzfall verwertet werden?

  • Der Vermieter kann in der Insolvenz des Mieters während eines laufenden Mietverhältnisses grundsätzlich auf die Mietsicherheit zugreifen, sofern seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind. Bei streitigen Forderungen kann der Vermieter erst nach Beendigung des Mietverhältnisses gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters aufrechnen, sofern der Mietvertrag keine explizit anderslautende Regelung vorsieht.
  • Die Mietsicherheit sollte mittels entsprechender Tilgungsbestimmung zunächst auf die ältesten Forderungen verrechnet werden, um die zur Tabelle anzumeldenden Insolvenzforderungen zu reduzieren.

5. Was ist ein Vermieterpfandrecht?

  • Neben der Mietsicherheit hat der Vermieter für seine Forderungen aus dem Mietverhältnis ein gesetzliches Pfandrecht an pfändbaren Gegenständen des Mieters, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in die Mietsache eingebracht wurden.
  • Der Vermieter kann sein Vermieterpfandrecht („VPR„) sowohl für Insolvenzforderungen als auch für Masseverbindlichkeiten geltend machen. Sobald der Vermieter das VPR geltend macht, was er möglichst frühzeitig tun sollte, hat es der Insolvenzverwalter zu beachten. Das VPR wird aus Vermietersicht dann interessant, wenn die Mietsicherheit zur Deckung der offenen Vermieterforderungen nicht ausreicht.
  • Das Verwertungsrecht für die dem VPR unterfallenden Gegenstände liegt beim Insolvenzverwalter. Aus dem Verwertungserlös steht der Masse eine Kostenpauschale von 9 % des Bruttoerlöses sowie ein etwaiger Übererlös zu (§§ 170, 171 InsO).
  • Das VPR kann für max. 12 offene Monatsmieten vor Insolvenzeröffnung in Anspruch genommen werden (§ 50 Abs. 2 InsO).
  • Sollten die Erlöse nicht ausreichen, um sämtliche offenen Forderungen zu decken, sollte die Verrechnung auch hier mittels Tilgungsbestimmung zunächst auf Insolvenzforderungen erfolgen.

LPA-Praxistipp

Grundsätzlich ist es ratsam, unverzüglich nach Kenntnis über den Insolvenzfall Kontakt mit dem Insolvenzverwalter aufzunehmen, um zunächst formal alle dem Vermieter unter dem Mietvertrag zustehenden Rechte, insbesondere das VPR, geltend zu machen. Je nach Interessenlage können anschließend ggf. individuelle Vereinbarungen mit dem Insolvenzverwalter getroffen werden. Weiterer Handlungsbedarf kann sich darüber hinaus auch aus anderen objektbezogenen Verträgen ergeben. So sehen z.B. Finanzierungsverträge im Fall der Mieterinsolvenz häufig entsprechende Mitteilungs-/Anzeigepflichten vor.