Informationsbriefe

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22 Nov 2022

Frankreich – Europäische Taxonomie und der Immobiliensektor

Das europäische Regelwerk zur Taxonomie ist seit Januar 2022 in Frankreich anwendbar. Die Taxonomie ist weitgehend unbekannt, obwohl sie eine große Anzahl von Akteuren im Immobiliensektor und dem aktuellen Trend zu energiesparenden Gebäuden entspricht.

Immobilien können als „taxonomiekompatible“ Aktivität gelten

Die Europäische Kommission wurde 2019 beauftragt, eine Taxonomie – d.h. eine Klassifizierung „nachhaltiger“ Wirtschaftstätigkeiten – zu erstellen, um einen erheblichen Teil der privaten Investitionen umzulenken und bis 2050 eine CO2-Neutralität zu erreichen.

Die Weichen dafür werden durch die Richtlinie 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2020 (sog. Taxonomie-Richtlinie) gestellt, in der sechs Umweltziele festgelegt sind, darunter die Eindämmung des Klimawandels.

Ein erster delegierter Rechtsakt (was in etwa einer Verordnung entspricht) wurde von der Europäischen Kommission am 4. Juni 2021 veröffentlicht. Darin werden die Kriterien für die technische Prüfung festgelegt, anhand derer bestimmt wird, unter welchen Bedingungen eine Wirtschaftstätigkeit als wesentlicher Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels oder zur Anpassung an den Klimawandel angesehen werden kann.

Der Immobiliensektor ist in der Liste der Tätigkeiten im Anhang dieses Rechtsakts enthalten und gilt somit als eine Tätigkeit, die zum Klimaschutz oder zur Anpassung an den Klimawandel beitragen kann. Dazu gehören der Bau neuer Gebäude, die Renovierung bestehender Gebäude, die Installation/Wartung/Reparatur von Geräten zur Förderung der Energieeffizienz sowie der Erwerb und das Eigentum an Gebäuden.

Immobilien können somit nach der Europäischen Taxonomie qualifiziert werden, jedoch müssen bestimmte Bedingungen erfüllt werden.

Transparenzpflichten für den Immobiliensektor

Die Taxonomie möchte Investoren und der breiten Öffentlichkeit ermöglichen, den Anteil nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten von nichtfinanziellen Unternehmen zu bewerten. Sie legt somit Informationspflichten auf, durch die offenbart werden soll, welcher Anteil der Tätigkeiten taxonomiekonform ist.

Die Informationspflichten sind folgende:

  • Vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022: Nichtfinanzielle Unternehmen des Immobiliensektors, d. h. Unternehmen, die eine Erklärung zur Extra-Finanziellen Performance abgeben müssen (d. h.[1] mit mehr als 500 Angestellten und einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro bei börsennotierten Unternehmen und mehr als 100 Millionen Euro bei nicht börsennotierten Unternehmen), müssen den nachhaltigen Anteil ihres Umsatzes, ihrer Investitionsausgaben (Capex) und ihrer Betriebsausgaben (Opex), der für die Taxonomiefähigkeit in Betracht kommt (siehe unten), veröffentlichen.
  • Vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2023: Finanzunternehmen, d. h. Vermögensverwalter, Kreditinstitute, Wertpapierfirmen und Versicherungsgesellschaften, müssen den Anteil an Wirtschaftszweigen, die unter taxonomiefähig sind, und an Wirtschaftszweigen, die nicht taxonomiefähig sind, an ihrem Gesamtvermögen veröffentlichen.
  • Ab dem 1. Januar 2023 für nichtfinanzielle Unternehmen und ab dem 1. Januar 2024 für finanzielle Unternehmen: müssen Key Performance Indicators (KPIs) veröffentlicht werden, aus denen sich der Anteil der Vermögenswerte ergibt, die nicht nur taxonomiefähig (eligible) sind, sondern auch Taxonomiekonform (aligned) sind.

Kurz gesagt: Finanzunternehmen und Nicht-Finanzunternehmen im Immobiliensektor sind seit dem 1. Januar 2022 verpflichtet, den nachhaltigen Anteil ihrer Aktivitäten, die taxonomiefähig (eligible) sind, zu veröffentlichen. Ab dem 1. Januar 2023 für Nicht-Finanzunternehmen und ab dem 1er Januar 2024 für Finanzunternehmen müssen diese auch den taxonomiekonformen (aligned) Anteil ihrer Aktivitäten veröffentlichen.

Vereinbarkeit von Immobilieninvestitionen mit der Taxonomie

  • Überprüfung der Taxonomiefähigkeit (eligibility)

So muss zunächst geprüft werden, ob eine Tätigkeit aufgrund ihrer Branche oder durch Vergleich mit ihrem NACE-Code für die Taxonomie in Frage kommt. Wie bereits erwähnt, ist der Immobiliensektor eine taxonomiefähige Tätigkeit.

  • Überprüfen der Taxonomiekonformität (alignment)

Anschließend soll sichergestellt werden, dass die Investitionstätigkeit mit den Nachhaltigkeitskriterien, d.h. (i) ein wesentlicher Beitrag zu einem Umweltziel, (ii) keine Beeinträchtigung eines Umweltziels und (iii) Einhaltung sozialer Mindestgarantien, in Einklang steht.

  • Berechnung der KPI

Sobald diese Kriterien erfüllt sind, muss der Umfang der taxonomiefähigen und taxonomiekonformen Finanzausgaben oder -produkte bestimmt werden. Zu diesem Zweck sollen die Akteure die von der Europäischen Kommission in Artikel 8 der Taxonomie festgelegten Methoden zur Berechnung der KPIs (Key Performance Indicators) anwenden.

Nehmen wir als Beispiel den Bau neuer Gebäude.

Aufgrund ihres direkten und positiven Beitrages zu einem Umweltziel gehört diese Aktivität zu den Aktivitäten, die taxonomiefähig sind.

Um an taxonomiekonform zu sein, muss das errichtete Gebäude einen Primärenergiebedarf haben, der mindestens 10% unter dem Schwellenwert liegt, der in der EU-Richtlinie „Nearly Zero-Emission Building“ (NZEB) festgelegt ist. In Frankreich ist die äquivalente Wärmenorm die sog. Norm RE2020, die seit dem 1. Januar 2022 für Wohngebäude und seit dem 1. Juli 2022 für Dienstleistungsgebäude in Kraft ist, so dass ein neues Gebäude, um taxonomiekonform zu sein, 10% effizienter als die RE2020 sein muss. Diese erhöhte Anforderung geht in die Richtung des RE 2020-Labels, das in Frankreich für Ende 2022 oder Anfang 2023 angekündigt ist.

Zweitens darf der Bau die anderen Umweltziele, die in der Taxonomie-Richtlinie festgelegt sind, nicht beeinträchtigen. Dies bedeutet, dass bereits vor dem Bau vorgesehen sein muss, wie negative Umweltbelastungen vermeiden werden.

Schließlich muss die Bautätigkeit die im internationalen Recht vorgeschriebenen sozialen Mindestgarantien einhalten, wie z. B. die Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit und ihre Folgemaßnahmen, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.

Nachdem diese Überprüfungsschritte durchlaufen sind, muss der Immobilienakteur den Anteil der taxonomiefähigen und taxonomiekonformen Tätigkeiten im Vergleich zu seiner Gesamtaktivität berechnen.

Ein komplexes regulatorisches Umfeld

Das europäische Regelwerk zur Taxonomie überlagert nationale Vorschriften, deren Einhaltung allein nicht ausreicht, um im Sinne der Europäischen Taxonomie zu qualifizieren.

In Frankreich ist das rechtliche Instrumentarium zur „Vergrünung“ von Gebäuden umfangreich: das Gesetz Nr. 2019-771 vom 23. Juli 2019 über die Verpflichtungen zu Maßnahmen zur Senkung des Endenergieverbrauchs in Gebäuden mit tertiärer Nutzung (Tertiärdekret), das Gesetz Nr. 2019-1147 vom 8. November 2019 über Energie und Klima (Klimagesetz), die Diagnose der energetischen Leistung (DPE), ganz zu schweigen von den verschiedenen Umweltlabels und -zertifizierungen.

Diese Maßnahmen haben sicherlich dazu beigetragen, grüne Gebäude besser zu identifizieren, doch die Taxonomie geht nun einen Schritt weiter: Die einfache Anwendung der französischen Regeln führt nicht dazu, dass eine Immobilie nach der europäischen Taxonomie qualifiziert. Die Taxonomie hebt sich durch ihren sehr hohen Grad an Genauigkeit von anderen Texten ab, insbesondere durch die in ihren delegierten Rechtsakten festgelegten Kriterien für die technische Prüfung (z. B. Prüfung der Luftdichtheit und der thermischen Integrität nach Fertigstellung eines Gebäudes mit einer Fläche von mehr als 5 000 m2 ; bei Gebäuden, die vor dem 31. Dezember 2020 errichtet wurden, ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz, der mindestens der Klasse A entspricht) und den Verweis auf gleichwertige nationale Umweltstandards.

Einige Grauzonen bestehen jedoch bis heute in Bezug auf die Frage, ob die Taxonomie wirklich Anreize schafft oder nicht.

Artikel 22 der Verordnung vom 18. Juni 2020 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten selbst die Regeln für Sanktionen bei Nichteinhaltung der Offenbarungspflichten in Bezug auf die Nachhaltigkeit festlegen. Bisher wurden vom französischen Gesetzgeber keine Angaben zur Umsetzung dieser Strafmaßnahmen gemacht, so dass es keine Sanktionen für die mangelnde Offenbarung bzw. Veröffentlichung unrichtiger oder irreführender Informationen gibt.

Da „grüne“ Vermögenswerte von Anlegern gesucht werden, kann man davon ausgehen, dass Transparenzanforderungen, auch ohne Sanktionsmechanismen, zu einer Zunahme von Taxonomie-kompatiblen Vermögenswerten führen werden.

Allerdings stellt sich die Frage, welches Recht auf ausländische Immobilienfonds oder Immobiliengesellschaften, die in Frankreich investieren, anwendbar ist: muss die französische Referenznorm (wie die RE2020) oder die Norm des Herkunftslandes herangezogen werden, um die Anpassung an die Europäische Taxonomie zu beurteilen? Aus rechtlicher Sicht sollte sich die Qualifikation unserer Ansicht nach auf das Recht des Ortes beziehen, an dem z.B. die KVG ihren Sitz hat. Hier wird man jedoch pragmatisch vorgehen müssen, da es unmöglich sein wird, den französischen Bauherren und Entwicklern ausländische Referenzen vorzuschreiben

[1] Ab 2023 werden die neuen Schwellenwerte, die durch die CRSD (Corporate Sustainability Reporting Directive) eingeführt wurden, börsennotierte KMU mit 50 bis 250 Beschäftigten und einem Umsatz zwischen 8 und 40 Millionen Euro einschließen, und der Schwellenwert für die Anzahl der Beschäftigten in großen Unternehmen wird von 500 auf 250 gesenkt.