Im Steuertransparenzrecht verschärfen sich die Reportingpflichten für Cross-border-Rechtsgestaltungen; bezüglich der Anzeigepflichten für nationale Rechtsgestaltungen bleiben wir vorsichtig optimistisch. Beim CRS kam es durch den Peer Review zu einer Verschärfung bezüglich der Einholungspflicht für Selbstauskünfte, die zivilrechtlich zweifelhaft ist. Entlastung kommt aus den USA, die Delta-1 Übergangsfristen nach § 871 (m) IRC wurden verlängert. Über die Verhandlungen für ein Übergangsabkommen bis Ende 2020 bezüglich des Brexits und die steuerrechtlichen Fragestellungen berichten wir als letzten Punkt.
Inhalt:
A. Zum Stand der DAC-6 Umsetzung (Anzeigepflichten cross-border Rechtsgestaltungen)
C. Verschärfung bei CRS: BMF-Schreiben vom 21. September 2018
E. Brexit Draft-Agreement vom 14.11.2018
A. Zum Stand der DAC-6 Umsetzung (Anzeigepflichten cross-border Rechtsgestaltungen)
Ziel der DAC 6 (über die wir schon in den letzten Newslettern [4/2018 u. 8/2018] berichtet haben) ist eine Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuerplanungsmodelle. Die offengelegten Informationen werden den anderen Mitgliedsstaaten automatisch übermittelt, um frühzeitig neue Steuersparmodelle erkennen und dementsprechend handeln zu können. DAC 6 setzt ein Mindestmaß an Meldepflichten fest, kann aber durch nationale Steuergestaltungen ergänzt werden.
Zu den, mit der DAC 6 verbundenen, Auslegungsfragen fand ein Gespräch mit der Working Party IV und der EU-Kommission statt, das wir hiernach verkürzt wiedergeben:
Bis 30.6.2019 wird die EU-Kommission die Standard-Formulare für die Meldungen zwischen den Mitgliedsstaaten entwickeln. Bis 31.12.2019 wird die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten technische und logistische Unterstützung bei der Erstellung des “Central Directory” anbieten.
Zum Inhalt der Meldepflicht
Meldepflichtig sind “cross-border arrangements”, wobei die EU-Kommission sich weigert, eine Definition bezüglich “arrangement” einzuleiten. Der Main-Benefit-Test soll keine subjektive Intention voraussetzen, sondern objektiv auszulegen sein. Es ist eine Kommunikation mit dem User erforderlich, so dass ein “verbal act” ausreichend sein kann, ein Buch im Buchladen hingegen nicht (“too remote”). Die Zurechnung für “associated enterprise” soll sich auf alle Hallmarks beziehen.
Zu den Generic Hallmarks:
Das “Confidentiality”-Konzept (A.1.) soll über die normalen Verschwiegenheitspflichten hinausreichen.
Ein “marketable arrangement” (A.3.) ist ohne weitere “customization” nutzbar. In die “standardized documentation” ist anscheinend ein “de-minimis”-Effekt in den Main-Benefit-Test zur Abgrenzung zum normalen Banking reinzulesen: “Under Hallmark A3, standard banking contracts, such as mortgages, would not need to be reported, because the tax advantage represents an insignificant benefit as compared to other main benefits, e.g. satisfaction of housing needs.”
Zu den Specific Hallmarks:
“The tax rate of almost zero broadly refers to a nominal rate below 1% (Hallmark C.1b)i)). Für steuerlich transparente Rechtsformen (im Beispiel der EUK “partnerships”) ist für die steuerliche Betrachtung auf die Gesellschafter abzustellen (C.1.). Mit dem doppelten Abzug (C.2.) ist nicht die Situation gemeint, dass die Gewinne [und damit die Betriebsausgaben] einer ausl. Betriebsstätte im Ort der Geschäftsleitung angerechnet oder über Regeln des Außensteuerrechts “doppelt” erfasst werden. Category D ist entsprechend der OECD-Guidelines auszulegen.
Category E: ”Safe harbours (for transfer pricing) should be “unilateral” when they depart from the international consensus as this is enshrined in the OECD transfer pricing guidelines.”
Zum Intermediary:
Beim “Intermediary” wurde klargestellt, dass “in-house-lawyer” (“employed”) dem Steuerzahler zugerechnet werden, also nicht “Intermediary” sind. Es soll keine Erkundigungspflicht für den Intermediary geben. Die “Professional Secrecy”-Regeln werden durch die DAC 6 nicht vereinheitlicht, die EU-Kommission schlägt vor, die bisherigen, nationalen Verschwiegenheitsregeln im Kontext der DAC 6 zu überdenken. Wegen der “transitional period” (Sammel-Periode für Gestaltungen in der Zeit ab 25.6.2018) gibt es keine Entwarnung.
Zur IT:
“The IT solution will be similar to that on the exchange of tax rulings. The exact XML schema is not yet known. To avoid duplication, the XML schema is likely to closely reflect the one that the OECD will be presenting on mandatory disclosure against CRS avoidance in October 2018. Certain technical specifications are planned to be available in March 2019.” Bislang fehlt aber das diesbezügl. Schema auf der Webseite der OECD.
B. Zum deutschen Gesetzesentwurf zur Einführung von Anzeigepflichten von nationalen Steuergestaltungen
Zur Einführung von Anzeigepflichten von nationalen Steuergestaltungen gibt es ebenfalls bereits einen ersten inoffiziellen Entwurf, der z.T. über die Vorgaben der DAC 6 hinausgeht. Dieser erfasst nationale Steuergestaltungen und ist (anders als die DAC 6) auf alle Steuerarten anwendbar. Ob eine Meldepflicht für nationale Steuergestaltungen erforderlich ist, ist bereits Gesprächsthema auf oberster Bundesebene zwischen Wirtschaftsminister (Altmaier) und Finanzminister (Scholz). Die letzten Signale hierzu (Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage [S. 44] der Fraktion “Die Grünen”) verheißen nichts Gutes.
Die Anzeige soll innerhalb von 30 Tagen seit dem ersten Tätigwerden des Intermediärs oder im Falle des Steuerpflichtigen auch bereits 30 Tage nach “Vorbereitungshandlungen” einzureichen sein. Die Frist zur Anzeige soll in den ersten sechs Monaten nach Inkrafttreten von 30 Tagen auf drei Monate verlängert werden. Von der Anzeigepflicht ausgenommen sind Steuergestaltungen, wenn sie nicht auf andere übertragen werden können, nachweislich schon bekannt sind oder von natürlichen Personen für eigene Zwecke angefertigt worden sind. Ausnahmen für Personen, die die Steuergestaltungen nutzen wollen, liegen vor, wenn die positiven Einkünfte nicht mehr als 500.000 € im Jahr betragen oder der Steuerpflichtige, die dem Intermediär erteilte Registriernummer vorhält. Da die nationale Anzeigepflicht nur aggregierte Informationen übermitteln soll, soll das Berufsgeheimnis von zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen (RA/ StB/ WP) der Anzeigepflicht gegenüber nachrangig sein.
Die Anzeige ist an das BZSt zu richten, aus ihrer Entgegennahme der Anzeige soll sich jedoch keine Bindungswirkung ergeben, wie sie etwa bei verbindlichen Auskünften i.S.d. § 89 II AO eintritt.
C. Verschärfung bei CRS: BMF-Schreiben vom 21. September 2018
Mit dem BMF-Schreiben vom 21. September 2018 wurde im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder die Randziffer 230 des BMF-Schreibens vom 1. Februar 2017 “Standard für den automatischen Austausch von Finanzinformationen in Steuersachen” (BStBl I 2017, S 305) trotz des bestehenden Widerspruchs zu den neuen Auslegungshinweisen der BaFin zum GWG (hierzu: unser Newsletter vom 3. August 2018) ergänzt, um sicherzustellen, dass Finanzinstitute bei der Kontoeröffnung eine gültige Selbstauskunft einholen. Danach sollte eine Selbstauskunft grundsätzlich unmittelbar zu Beginn des Kontoeröffnungsprozesses eingeholt werden. Es ist u.E. dabei weiter unklar, ob ein stand-still zur Einhaltung der CRS-Compliance mit den vertraglichen Verpflichtungen des Finanzdienstleisters zu vereinbaren ist.
“Sollte dies im Einzelfall nicht möglich sein, so kann die Selbstauskunft (inkl. TIN, sofern vorhanden) innerhalb von 90 Tagen nach dem Einreichen des Kontoeröffnungsantrags eingeholt werden, unabhängig davon, ob das Konto innerhalb dieses Zeitraums aktiviert wird. Im Fall, dass dem meldenden Finanzinstitut keine gültige Selbstauskunft für Neukonten vorliegt und damit eine Meldung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig durch das Finanzinstitut erfolgen kann, wird § 28 Absatz 1 FKAustG angewendet. Ist das meldende Finanzinstitut nicht in der Lage, eine gültige Selbstauskunft für Neukonten zu beschaffen, so kann dies nicht beanstandet werden, wenn für diese Geschäftsbeziehung nach Ablauf der 90-Tage-Frist keine Transaktionen durchgeführt werden, bis die gültige Selbstauskunft vorliegt.”
D. QI-Recht: Notice 2018-72
Auf Drängen der europäischen und amerikanischen Finanzindustrie hat der IRS die drohende Verschärfung des § 871(m) IRC um weitere zwei Kalenderjahre verzögert und die phasenweise Einführung des QDD-Regimes verlängert. Notice 2018-72 verlängert
- die Nichtanwendung auf Zahlungen in Bezug auf Nicht-Delta-1 Transaktionen (d.h. Delta 0,8-1) bis 31.12.2021;
- die Vereinfachungsregel, dass steuerabzugspflichtige Zahlstellen (”withholding agent”) nur dann Transaktionen zusammenfassen müssen, um festzustellen, dass es sich um 871(m)-relevante Produkte handelt, wenn diese im Rahmen von OTC-Geschäften zusammen bepreist, vermarktet oder veräußert werden, bis zum 31.12.2020;
- das QSL-Regime, das bereits in Notice 2018-5 für die Jahre 2018 und 2019 behandelt wurde, bis zum 31.12.2020.
Der ”Net Delta Approach”, anhand dessen ein QDD seine Netto Steuerverbindlichkeit aus den 871(m)-Transaktionen ermittelt (“Net Delta Exposure”, vgl. Sec. 2.47 2017 QI Agreement), wird durch Notice 2018-72 auf 2021 verschoben, d.h. der QDD ermittelt seine Steuerverbindlichkeit ab 1. Januar 2021 und haftet ab diesem Zeitpunkt für die Quellensteuer auf Dividenden und Dividendenäquivalenzzahlungen (“dividend equivalent payments” – DEP) aus 871(m)-relevanten Produkten.
Durch die Verschiebungen der diversen Fristen wird das QDD Regime erst im Jahr 2021 Gegenstand des Periodic Reviews und damit auch der Zertifizierung. Ein QI, der auch QDD ist, muss daher das Jahr 2021 als Prüfungsjahr sowohl für das QI-Regime als auch für das QDD-Regime auswählen. Dies gilt für alle QI/QDD mit Zertifizierungszeitraum 2018-2021.
Die Steuerpflichtigen dürfen auf die Notice 2018-72 vertrauen, bis die entsprechenden Regelungen sowohl in den Steuerrichtlinien als auch im 2017 QI-Agreement eingearbeitet sind.
E. Brexit Draft-Agreement vom 14.11.2018
Zum Thema Brexit (über den wir bereits in unseren Newslettern im April 2017 und Januar 2018 berichtet haben) hat die europäische Kommission das Übergangsabkommen zum Brexit vom 14.11.2018 veröffentlicht. Damit der Entwurf am 30.3.2019 in Kraft treten kann, muss Theresa May jedoch erst die Zustimmung des britischen Parlaments erhalten (und EU-Rat und EU-Parlament im Kodezisionsverfahren zustimmen). Die Verhandlungen dort stehen kurz vor dem Scheitern. Der Entwurf enthält Regelungen für eine 21-monatige Übergangsphase nach dem Brexit bis Ende 2020. Diese Zeit soll genutzt werden, um die zukünftigen Verhältnisse (“Scheidungsfolgenvereinbarung”) auszuhandeln. Art. 2 lit. e iVm. Art. 126:
“There shall be a transition or implementation period, which shall start on the date of entry into force of this Agreement and end on 31 December 2020.”
Großbritannien unterwirft sich in der Übergangsphase grundsätzlich dem EU-Recht, ohne die Mitgliedschaftsrechte der EU wahrnehmen zu können.
Eckpunkte für das Steuerrecht
In Annex 4, Article 1 (Seite 354 des Entwurfes) finden sich Regelungen zu “Taxation”, die zu einer Einzelfallbetrachtung zwingen.
“The Union and the United Kingdom recognise and commit themselves to implementing the principles of good governance in the area of taxation, including the global standards on transparency and exchange of information, fair taxation, and the OECD standards against Base Erosion and Profit Shifting (BEPS). The Union and the United Kingdom will promote good governance in tax matters, improve international cooperation in the tax area and facilitate the collection of tax revenues.”
Daran anknüpfend sollen selbst nach Ende der “transitional period” gelten:
- die Richtlinie 2011/16/EU vom 15.2.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG [die Richtlinie 2018/822/EU (DAC 6) zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU ist hier nicht genannt],
- die Richtlinie 2016/1164 vom 12.7.2016 zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes,
- Artikel 89 der Richtlinie 2013/36/EU vom 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten (bankspezifisches Country-by-Country Reporting). Auch bestätigt Großbritannien an dem G20-OECD BEPS Action Plan nach den Vorgaben des Code of Conduct for business taxation festzuhalten, um schädigende Steuermodelle zu bekämpfen.
Insbesondere die Mutter-Tochter-Richtline ist nicht genannt; ausdrückliche Regelungen zum “Passporting” (europäischen Pass) von Bank- und Finanzdienstleistungen haben wir bei Lektüre des 585-seitigen Dokuments nicht gefunden. Insofern bleibt Vorsicht geboten (auch für die Zeit nach 31.12.2020).