International Tax News Januar 2018
EuGH schafft steuerliche Erleichterung für Tochterunternehmen ausländischer Gesellschafter
Grundsätzlich sind deutsche Tochtergesellschaften verpflichtet, von Gewinnausschüttungen (Dividenden) an ihre ausländischen Gesellschafter die Kapitalertragssteuer (Quellensteuer) einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Viele Gesellschafter können, entweder auf Grund von EU-Recht (Art. 5 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie) oder von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) eine Befreiung beanspruchen. In diesem Fall besteht für die deutsche Tochtergesellschaft keine Pflicht zum Einbehalt und zur Abführung der Kapitalertragssteuer oder der ausländische Gesellschafter kann sich die abgeführte Steuer erstatten lassen.
Regelung des § 50d Abs. 3 EStG
Zur Missbrauchsbekämpfung hat der Gesetzgeber in § 50d Abs. 3 EstG diese Befreiung vom Quellensteuerabzug an verschieden Voraussetzungen geknüpft, die allerdings im EU-Recht oder DBA nicht vorgesehen sind. Danach hat ein ausländischer Gesellschafter keinen Anspruch auf Freistellung oder die Erstattung (und die Tochtergesellschaft daher eine Abführungspflicht), wenn dessen Anteilseigner seinerseits bei Direktbezug der Dividende keine Freistellung oder Erstattung zustände. Schädlich ist, wenn für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonstige beachtliche Gründe fehlen oder die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.
Entscheidung des EuGH
Auf Vorlage des Finanzgerichts Köln hat der EuGH nunmehr in zwei Verfahren diese Regelung für EU-rechtswidrig erachtet (C-504/16 und C-613/16 vom 20. Dezember 2017). In der bis 2011 geltenden Fassung verstoße § 50d Abs. 3 EStG sowohl gegen Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie als auch gegen die Niederlassungsfreiheit gem. § 49 AEUV. Der EuGH begründet den Verstoß im Wesentlichen mit drei Argumenten. Erstens erfasse die Vorschrift nicht bloß rein künstliche Konstruktionen, sondern generell jede Konstellation, in der an der ausländischen Gesellschaft Personen beteiligt sind, denen eine unmittelbare Befreiung nicht zustände. Zweitens begründe die Regelung eine unwiderlegbare Missbrauchs- oder Hinterziehungsvermutung, weil die weiteren Voraussetzungen der Norm nicht kumulativ, sondern nur alternativ vorliegen müssen, ohne dass der Steuerpflichtige einen Gegenbeweis führen kann. Drittens müsse eine einzelfallbezogene Prüfung zulässig sein, die sich entgegen dem Wortlaut der Norm gerade auch auf die organisatorischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten im Konzernverbund erstrecke.
Übertragbarkeit auf die aktuelle Fassung des § 50d Abs. 3 EStG
Ob die Regelung auch in der ab 2012 geltenden Fassung gegen EU-Recht verstößt, ist aktuell Gegenstand eines weiteren Verfahrens vor dem EuGH (C-440/17). Nach u.E. sprechen gute Gründe für einen solchen Verstoß. Denn der aktuelle Wortlaut des § 50d Abs. 3 EStG ist im Kern gleichgeblieben und teilweise sogar verschärft worden, indem die ausländische Gesellschaft ausdrücklich die Feststellungslast für das Vorliegen wirtschaftlicher Gründe oder ausreichender Substanz trägt. Obwohl die Neufassung nur noch quotal eine Befreiung vom Quellensteuerabzug versagt, soweit schädliche Erträge vorliegen, wird weiterhin in den gesetzlich definierten Fällen allgemein Missbrauch vermutet. Die aktuelle Fassung ermöglicht zudem weder eine Einzelfallprüfung noch die Erbringung eines Gegenbeweises.
Handlungsempfehlung
In allen Fällen, in denen mit Hinweis auf § 50d Abs. 3 EStG eine Freistellung oder Erstattung versagt wurde, empfehlen wir aufgrund der aktuellen Entscheidung des EuGH und dem noch ausstehenden Urteil zur neuen Fassung der Norm gegen die ablehnende Entscheidung Rechtsbehelfe zu prüfen.
Ihr Ansprechpartner bei GGV:
Matthias Krämer
Partner
Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Fachanwalt für Steuerrecht
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