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Smart News 17 Feb 2021

LG München I bestätigt im „C&A-Urteil“, dass erhaltene Hilfszahlungen und nicht gebildete Rücklagen zu Lasten des Mieters gehen

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Update

Seit unserer Smart News-Ausgabe von Dezember 2020 sind zahlreiche weitere Urteile betreffend die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Mietzahlungsverpflichtung des Mieters ergangen.

Den Entscheidungen ist gemein, dass der Frage einer Mietreduzierung allein im Rahmen einer möglichen Vertragsanpassung aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB Rechnung zu tragen ist. Hierzu hat der Gesetzgeber mit der Einfügung des Art. 240 § 7 EGBGB zum 31. Dezember 2020 nunmehr klargestellt, dass die Anwendbarkeit des § 313 BGB widerlegbar vermutet wird. Hauptprüfungspunkt der Gerichte bleibt somit die Frage der Zumutbarkeit des § 313 BGB, welche stets eine reine Einzelfallentscheidung ist.

Dies bestätigt nun auch das LG München I mit Urteil vom 12. Februar 2021 – 31 O 11516/20 („C&A-Urteil“), wobei es eine Verpflichtung des Mieters annimmt, Rücklagen zu bilden und ausdrücklich festlegt, dass erhaltene staatliche Hilfeleistungen im Rahmen der § 313 BGB-Prüfung zu berücksichtigen sind. Dieses Urteil stellt dabei jedoch kein Novum der Rechtsprechung der Kammer dar, sondern eine Fortsetzung ihres Urteils vom 25. Januar 2021 – 31 O 7743/20.

Der Fall

Zwischen den Parteien besteht ein Mietvertrag über ein Geschäftshaus in der Münchener Innenstadt, in dem die Beklagte ein Einzelhandelsgeschäft betreibt. Der Mieterin war die Öffnung des Geschäftshauses aufgrund der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) vom 27. März 2020 untersagt, weshalb sie für den Monat April 2020 keine Miete bezahlt hatte. Die Vermieterin machte mit ihrer Klage den Anspruch auf Mietzahlung für den Monat April 2020 geltend.

Die Entscheidung des LG München I

Das LG München I gab der Klage der Vermieterin statt, da bereits die mieterseits zumutbar zu bildenden Rücklagen den in Betracht kommenden Anpassungsbetrag übersteigen. Vor diesem Hintergrund sei die Beurteilung der Risikoverteilung überhaupt nicht mehr erforderlich.

1. Recht auf Vertragsanpassung besteht grundsätzlich

Nach Auffassung des Gerichts lag weder ein Mietmangel noch ein Fall der Unmöglichkeit vor.

Die Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 313 BGB sei aufgrund des neu eingeführten Art. 240 § 7 EGBGB nunmehr klargestellt, da dessen Anwendbarkeit vermutet wird, sofern der Mietgegenstand infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar ist. Die Vermieterin hatte diese Vermutung im Prozess nicht widerlegt.

 2. Umstände des Einzelfalls begründen eine Aufrechterhaltung der Mietzahlungspflicht

Als Ausgangspunkt der Risikoverteilung geht das Gericht von einer 50/50 Quote aus. Der Anspruch auf Vertragsanpassung scheitere jedoch an den festgestellten besonderen Umständen des Einzelfalles. Die von der Mieterin vorgetragenen Zahlen rechtfertigten keine Herabsetzung der Miete. Das Gericht stellte hierbei klar, dass die Zumutbarkeitsprüfung i.S.d. § 313 BGB einzig auf die konkrete Filiale des Mieters bezogen sei.

a) Gegenstand der Risikoverteilung auf 70% begrenzt

Das Gericht nimmt vor dem Einstieg in die Beurteilung der Risikoverteilung bereits eine Korrektur im Hinblick auf den Gegenstand der Risikoverteilung vor. Ausgehend von 100% der Monatsmiete wurde der Gegenstand der Risikoverteilung von dem Gericht bereits vorweg auf 70% beschränkt.

Es wurden diverse Abschläge vorgenommen, da die Mieterin zum einen während der Schließungsanordnung Verbesserungen im Innenbereich hätte vornehmen können, die während des regulären Betriebs nicht möglich gewesen wären. Zum anderen, weil der Mietgegenstand weiterhin zur Aufbewahrung und Lagerung der Sortimentsbestände nutzbar war. Ferner hatte das Gericht einen Abschlag für die im Rahmen des Betriebs ihres Online-Shops durch die Mieterin erzielten Umsätze aufgrund einer Schätzung gemäß § 287 Abs.2 ZPO vorgenommen, sofern und soweit diese durch eine pandemiebedingte Änderung des Kundenverhaltens bedingt seien.

b) Bildung von Rücklagen und Anrechnung von staatlichen Hilfen als zu berücksichtigende Umstände

Aufgrund der von der Mieterin vorgelegten Zahlen hielt das Gericht die Bildung einer Rücklage in Höhe von einer Monatsmiete für zumutbar. Einwände der Mieterin, Negativzinsen würden zu einer unwirtschaftlichen Kapitalvernichtung führen oder Investitionen seien gewinnbringender, überzeugen das Gericht nicht. Das Gericht bejaht auch die teilweise Anrechnung des erhaltenen Kurzarbeitergeldes. Das Urteil enthält diesbezüglich zudem interessante Ausführungen, mit welcher Gewichtung und auf welcher Berechnungsebene erhaltene Staatshilfen bei der Zumutbarkeitsprüfung zu berücksichtigen sind.

3. Rücklagen übersteigen geschuldete Miete

Ein der Risikoverteilung zugänglicher Anteil der Miete bestehe lediglich in Höhe von 66,5% (100% minus 30% Abschläge minus erhaltenes Kurzarbeitergeld). Da vom Gericht die Bildung einer Rücklage in Höhe einer vollen Monatsmiete als zumutbar angesehen wurde, gelte dies erst recht für zwei Drittel der Monatsmiete.

Urteil vom 25. Januar 2021 – 31 O 7743/20

Die 31. Kammer des Landgerichts bezieht sich in ihrem C&A-Urteil auf ein kurz vorher von ihr gesprochenes Urteil, in welchem sich die Kammer erstmals mit den Auswirkungen der (Teil-) Schließungsanordnungen auf die Hotelbetriebe befasst hatte.

Auch bei diesem Urteil nahm das Gericht zunächst Abschläge im Hinblick auf den Gegenstand der Risikoverteilung vor. Sowohl für die eigenständige Entscheidung der Mieter das Hotel komplett zu schließen, als auch für den andauernden Besitz des Hotels hatte das Gericht Abschläge in Höhe von insgesamt 27,2% vorgenommen. Auch hier hatte das Gericht die Verpflichtung des Mieters zur Bildung von Rücklagen bejaht. Da die fiktive Rücklagensumme bereits die 72,8% des Mietanteils überstiegen hatte, bevor eine Risikoverteilung vorgenommen wurde, wurde auch hier der Mieter zur Zahlung der kompletten monatlichen Miete verurteilt.

LPA-Fazit

Die Rechtsprechungstendenz der 31. Kammer, die aus den beiden detaillierten Urteilsbegründungen hervorgeht, ist unseres Erachtens zutreffend und nachvollziehbar. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese Tendenz auch von anderen Gerichten und höheren Instanzen entsprechend angenommen wird.