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Smart News 16 Nov 2020

LG München I – Covid-19-Beschränkungen sowohl Mangel der Mietsache als auch Wegfall der Geschäftsgrundlage

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Update

In unserer Smart News-Ausgabe vom 9. September 2020 hatten wir bereits auf die Entscheidung des LG Heidelberg (Urteil vom 30. Juli 2020 – 5 O 66/20) hingewiesen, dem sich zwischenzeitlich mit dem LG Zweibrücken (Urteil vom 11. September 2020 – HK O 17/10) ein weiteres Landgericht im Wesentlichen angeschlossen hatte. In beiden Entscheidungen blieb der Mieter trotz Covid-19 bedingter, behördlich angeordneter Nutzungseinschränkungen der Mietsache zur Zahlung der (vollen) Miete verpflichtet. Im Gegensatz dazu ist das LG München I nunmehr anderer Ansicht und spricht dem Mieter mit Urteil vom 22. September 2020 – 3 O 4495/20 aufgrund vorgenannter Nutzungseinschränkungen ein Mietminderungsrecht zu.

Der Fall

Zwischen den Parteien besteht ein Mietvertrag über Geschäftsräume in der Münchener Innenstadt mit einer Gesamtfläche von ca. 2.929 m² zur Nutzung als Möbelgeschäft. Im Zeitraum 18. März bis 26. April 2020 war dem Mieter die Öffnung der Ladenfläche aufgrund von Allgemeinverfügungen und Infektionsschutzverordnungen infolge der Covid-19-Pandemie vollständig untersagt. Im Zeitraum vom 27. April bis 10. Mai 2020 war dem Mieter nur ein eingeschränkter Betrieb auf einer Fläche von 800 m² erlaubt. Aufgrund des vorgeschriebenen Abstands- und Hygienekonzepts durfte sich im Laden zudem maximal ein Kunde pro 20 m² Verkaufsfläche aufhalten. Ab dem 11. Mai 2020 galt die Kundenbeschränkung fort, während die Verkaufsflächenbeschränkung weggefallen ist. Der Mieter zahlte für die Monate April, Mai und Juni 2020 keine Miete. Hiergegen klagte der Vermieter.

Die Entscheidung des LG München I

Das LG München I sieht in den pandemiebedingten Nutzungseinschränkungen einen Mangel der Mietsache und spricht dem Mieter ein proportional zum Ausmaß der Nutzungseinschränkung abgestuftes Mietminderungsrecht in Höhe von (i) 80% der monatlichen Bruttowarmmiete für April, (ii) 50% für Mai und (iii) 15% für Juni 2020 zu.

Das Landgericht München I beruft sich in seiner Urteilsbegründung auf vier Entscheidungen des Reichsgerichts aus der Zeit vor bzw. während des ersten Weltkrieges. In einer dieser Entscheidungen hat das Reichsgericht zum Beispiel dem Mieter eines Restaurants, das auch als Tanzbar genutzt wurde, ein Mietminderungsrecht zugesprochen, weil nach Beginn des ersten Weltkrieges Tänze polizeilich stark eingeschränkt wurden.

Das Landgericht München I ist weiter der Auffassung, dass im vorliegenden Fall eine Störung der Geschäftsgrundlage gegeben sei, begründet dies aber nicht näher. Rechtsfolge sei danach eine Anpassung des Mietvertrages in Form einer reduzierten Miete, wobei die Höhe der Reduzierung dem Betrag der gesetzlichen Minderung entspräche.

LPA-Fazit

Die Urteilsbegründung des LG München I überzeugt aus unserer Sicht nicht.

Nach allgemeinen, in der (aktuellen) Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist ein Mangel der Mietsache nur dann gegeben, wenn die Ursache für die Nutzungseinschränkung unmittelbar in der Beschaffenheit oder Lage der Mietsache selbst liegt. Das ist hier aber gerade nicht der Fall. Untersagt bzw. beschränkt wird nur der Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts wegen der damit verbundenen Ansteckungsgefahr. Betriebsbezogene Nutzungsbeschränkungen fallen jedoch stets in den Risikobereich des Mieters.

Die ersten obergerichtlichen Urteile erwarten wir daher bereits mit Spannung. Endgültige Rechtsklarheit wird aber wohl erst der Bundesgerichtshof bringen.