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Smart News 21 Sep 2023

BGH: Aufklärungspflichten des Verkäufers in der Due Diligence

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Einführung

Der Bundesgerichtshof („BGH“) hat in seinem Urteil vom 15. September 2023 (Az. V ZR 77/22) entschieden, dass der Verkäufer einer Immobilie seine vorvertraglichen Aufklärungspflichten gegenüber dem Käufer nur dann erfüllt, wenn er berechtigterweise erwarten kann, dass der Käufer durch Einsichtnahme in bereitgestellte Unterlagen Kenntnis von für den Erwerb entscheidungserheblichen Informationen erlangen wird. Andernfalls ist der Verkäufer wegen eines Verstoßes gegen seine vorvertraglichen Aufklärungspflichten unter anderem schadensersatzpflichtig und die Rückabwicklung des Kaufvertrages droht. Hierzu im Einzelnen:

Sachverhalt

In dem der BGH-Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt, verkaufte der Beklagte dem Kläger Gewerbeeinheiten in einem Gebäudekomplex und stellte dem Käufer im Vorfeld zur Beurkundung des Grundstückskaufvertrages zur Ankaufsprüfung („Due Diligence“) einen Datenraum mit Dokumenten und Informationen betreffend dieser Gewerbeeinheiten zur Verfügung.

Am 22. März 2019 lud die Beklagte das Protokoll einer Eigentümerversammlung vom 1. November 2016 in den Datenraum hoch, in dem beschlossen wurde, einen früheren Mehrheitseigentümer auf Zahlung von EUR 50.000.000 zur Durchführung von Umbaumaßnahmen am Gemeinschaftseigentum, welche im Jahr 2006 beschlossen wurden, in Anspruch zu nehmen. Diese Inanspruchnahme wurde von dem früheren Mehrheitseigentümer abgelehnt und ein anderer Eigentümer erhob insofern Klage, um die Erhebung der Sonderumlage gegen den früheren Mehrheitseigentümer durchzusetzen. Dieses Verfahren endete mit einem Vergleich, wonach von sämtlichen Eigentümern der Gewerbeeinheiten eine Sonderumlage von zunächst EUR 750.000 – bei Bedarf bis zu EUR 50.000.000 – für Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum erhoben wurde. Auf Grundlage dieses Vergleichs wurde der Käufer später zur Zahlung einer Sonderumlage herangezogen.

In dem am 25. März 2019 beurkundeten Grundstückskaufvertrag erklärte der Verkäufer, (i) dass keine Beschlüsse für zukünftige Sonderumlagen existierten, außer für die Dachsanierung und (ii) dass keine außergewöhnlichen, nicht durch die Instandsetzungsrücklage gedeckten Kosten anfallen und keine weiteren Sonderumlagen bevorstehen. Weiter bestätigt der Käufer in dem Kaufvertrag die Protokolle der Eigentümerversammlungen der letzten drei Jahre erhalten zu haben.

Entscheidung BGH

Der BGH entschied, dass im vorliegenden Fall ein Verstoß des Verkäufers gegen seine vorvertraglichen Aufklärungspflichten vorliegt und damit ein Schadensersatzanspruch des Käufers gegen den Verkäufer aufgrund vorvertraglicher Pflichtverletzung (culpa in contrahendo) besteht.

Der BGH stellt in seinem Urteil fest, dass der Verkäufer seine Aufklärungspflicht nicht alleine durch das Einstellen des Protokolls der Eigentümerversammlung vom 1. November 2016 in den Datenraum erfüllt hat. Die Möglichkeit für den Käufer, sich Informationen selbst zu beschaffen, entbindet den Verkäufer nicht grundsätzlich von seinen Aufklärungspflichten. Vielmehr erlischt die Aufklärungspflicht des Verkäufers erst, wenn dieser berechtigterweise erwarten kann, dass der Käufer die in einem Datenraum bereitgestellten Unterlagen und Informationen unter einem bestimmten Gesichtspunkt durchsehen und die relevanten Dokumente und Informationen auffinden wird. Die Erfüllung der Aufklärungspflicht durch den Verkäufer hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere davon, ob und in welchem Umfang der Käufer eine Due Diligence durchführt und wie leicht die relevanten Informationen im Datenraum zu finden sind.

In vorliegendem Fall durfte der Verkäufer nach Auffassung des BGH keine berechtigte Erwartung haben, dass der Käufer drei Tage vor Beurkundung noch Kenntnis von dem Eigentümerversammlungsprotokoll nimmt. In diesem Fall scheint auch eine kaufvertragliche Bestätigung des Käufers, die Protokolle der Eigentümerprotokolle der letzten drei Jahre erhalten zu haben, nicht dazu zu führen, dass der Verkäufer nach Auffassung des BGH seine vorvertraglichen Aufklärungspflichten erfüllt.

Weiterhin hält der BGH Ansprüche des Käufers gegen den Verkäufer aufgrund Verletzung von vertraglichen Erklärungen sowie etwaiger nicht korrekter bzw. unvollständiger Beantwortung von Fragen des Käufers während der Due Diligence für möglich, nimmt hierzu jedoch nicht abschließend Stellung.

LPA Fazit

Um seine vorvertraglichen Aufklärungspflichten gegenüber einem Käufer durch Zurverfügungstellung von Dokumenten und Information in einem Datenraum zu erfüllen, sind von dem Verkäufer insbesondere die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:

-Struktureller Aspekt: Der Datenraum muss klar gegliedert und so strukturiert sein, dass relevante Dokumente und Informationen für den jeweiligen Käufer unproblematisch auffindbar sind. Insbesondere müssen die Dokumente und Informationen in Ordnern abgelegt sein, in denen ein Käufer diese üblicherweise erwarten darf. Durch ein unstrukturiertes Hochladen von Dokumenten und Informationen in einem Datenraum wird der Verkäufer nach diesem BGH-Urteil seine vorvertraglichen Aufklärungspflichten nicht erfüllen; und

-Zeitlicher Aspekt: Die Dokumente und Informationen müssen so rechtzeitig vor Beurkundung des Kaufvertrages zur Verfügung gestellt werden, dass der Verkäufer berechtigterweise erwarten kann, dass der Käufer Kenntnis von den jeweiligen Dokumenten und Informationen genommen hat. Eine Bereitstellung von Dokumenten und Informationen drei Tage vor Beurkundung, wie in dem vorgenannten BGH-Urteil wird regelmäßig zu kurz sein
Für den Fall, dass Zweifel an der Erfüllung des strukturellen und/oder zeitlichen Aspekts in Bezug auf die Bereitstellung von Dokumenten und Informationen in einem Datenraum bestehen, kann der Verkäufer seinen Aufklärungspflichten nur genügen, wenn er den Käufer vor Beurkundung eines Kaufvertrages aktiv auf einen für den jeweiligen Ankauf entscheidungserheblichen Umstand hinweist und nachweisen kann, dass ein entsprechender Hinweis erfolgt ist.

Da der BGH in seinem Urteil nicht weiter ausführt, welche Anforderungen er konkret an das Hochladen von Dokumenten und Informationen in einem Datenraum zur Erfüllung der Aufklärungspflichten an einen Verkäufer stellt, wird man derzeit großzügig auf für den jeweiligen Ankauf entscheidungserhebliche Umstände hinweisen und dies entsprechend dokumentieren müssen, um vorvertraglichen Aufklärungspflichten zu genügen.

Bei der Einschätzung, inwieweit vorvertragliche Aufklärungspflichten bestehen und diese seitens des Verkäufers zu erfüllen sind, handelt es sich um Einzelfallentscheidungen, bei denen weitere Aspekte zu berücksichtigen sind. Die vorgenannten Punkte geben insofern lediglich eine grobe Richtschnur vor. Wir beraten Sie gerne im Einzelfall bei der Veräußerung Ihrer Immobilie, insbesondere auch zur Erfüllung ihrer vorvertraglichen Aufklärungspflichten sowie vertraglichen Lösungsmöglichkeiten in diesem Zusammenhang.