Jährlich ereignen sich mehr als 800.000 Arbeitsunfälle. In Deutschland greift hier ein besonderer Versicherungsschutz über eine gesetzliche Unfallversicherung. Deren Auftrag besteht darin, alle geeigneten Mittel einzusetzen, um den verletzten Arbeitnehmer schnellstmöglich in das Arbeitsleben zu reintegrieren. Dazu gehören besondere Heilbehandlungen, aber auch Verletztenentgelt oder Unfallrente. Die Leistungen sind regelmäßig besser als die der üblichen Krankenversicherung.
Arbeitnehmer haben daher ein reges Interesse, Unfälle im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit als Arbeitsunfall zu qualifizieren. Das kann gerade dann problematisch werden, wenn sich der Unfall nicht im Rahmen ihrer regulären beruflichen Tätigkeit ereignet, sondern z.B. auf Dienstreisen oder Freizeitaktivitäten im Rahmen einer dienstlich veranlassten Tagung.
Der Geschäftsführer, der Kunden der Firma in den USA zu einem Ski-Event einlädt und sich dabei das Bein bricht, erleidet keinen Arbeitsunfall (LSG Hessen vom 14.8.2020 – L 9 U 188/18), ebenso wenig ein leitender Ingenieur eines internationalen Konzerns im Bereich Bio-Medizintechnik, der bei einer teambildenden Tagung mehrerer Führungskräfte des Konzernes mit einem Segway stürzt (LSG Hessen, Urt. V. 29.03.2021 – L 3 U 157/18).
Solche Entscheidungen verwundern immer wieder, da die Aktivitäten natürlich einen engen dienstlichen Bezug aufweisen und keine reine Freizeitbeschäftigung darstellen. Die Gerichte achten aber darauf, dass die Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf Arbeitsunfälle, die nur einen mittelbaren Bezug zur Diensttätigkeit haben, nicht beliebig ausgeweitet werden.
Unfälle auf einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung sind zwar grundsätzlich Arbeitsunfälle, lädt dazu aber die ausländische Konzernmutter ein und nehmen von der deutschen Tochter nicht sämtliche Mitarbeiter oder zumindest sämtliche Mitarbeiter einer bestimmten Abteilung teil, kann das schon wieder anders gewertet werden. Auch bei Dienstreisen unterscheidet die Rechtsprechung, ob diese durch bestimmte Freizeitaktivitäten – auch wenn die Teilnahme daran vom Arbeitgeber erwartet wird – mit der Folge „unterbrochen“ werden, dass entsprechende Unfälle dann keine Arbeitsunfälle mehr sind.
Leidtragende dieser sehr einzelfallbezogenen Rechtsprechung sind in der Regel die Arbeitnehmer, die in solchen Fällen nicht den besseren Versicherungsschutz genießen. Aber auch Arbeitgeber müssen darauf achten, ob und wann sie ihre Arbeitnehmer zur Teilnahme an bestimmten Freizeitaktivitäten verpflichten wollen. Zur Vermeidung einer Regresshaftung gegenüber den Arbeitnehmern sollte dann zumindest über etwaig fehlenden Versicherungsschutz aufgeklärt werden.