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Deutsch-Französischer Informationsbrief 16 Dez 2016

Deutsch-Französischer Informationsbrief | Sonderausgabe

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Über das Gesetz zur Transparenz, zum Kampf gegen die Korruption und zur Modernisierung des Wirtschaftslebens (kurz Sapin II)

Inhalt


Sonderausgabe

Das Gesetz Sapin II umfasst zahlreiche Bestimmungen, die besonders den Kampf gegen die Verletzung der sog. Pflicht zur Rechtschaffenheit betreffen. Entsprechend der Empfehlung der OECD ist das Ziel dieser Reform, dass Frankreich seine Verspätung im Kampf gegen die Korruption aufholen kann.

Wie so oft in Frankreich haben die Regierung und der Gesetzgeber dieses Gesetz genutzt, um zahlreiche andere das Handelsrecht betreffende Bestimmungen darin aufzunehmen.

Diese Sonderausgabe soll die wesentlichen Maßnahmen des Gesetzes Sapin II darlegen, die für unsere Mandanten von Bedeutung sein könnten.

Das Gesetz wurde am 10. Dezember 2016 veröffentlicht und ist am Tag nach seiner Veröffentlichung in Kraft getreten, vorbehaltlich der Bestimmungen, deren Inkrafttreten zeitversetzt vorgesehen ist oder an das Erscheinen eines Dekrets gebunden ist.


Die Einrichtung einer Anti-Korruptions-Agentur

Das Gesetz Sapin II richtet eine französische Anti-Korruptions-Agentur ein. Diese Agentur tritt an die Stelledes « Service central de prévention de la corruption » (SCPC), um dessen Aufgaben zu übernehmen und von erweiterten Handlungskompetenzen zu profitieren.

Die Aufgaben, mit der die neue Anti-Korruptions-Agentur beauftragt sein wird, sind zahlreich und beziehen sich sowohl auf Verwaltung als auch auf Unternehmen.

Gegenüber der Verwaltung obliegt es der Agentur

  • Empfehlungen auszuarbeiten, die die Verwaltung sowie die Körperschaften des öffentlichen Rechts bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Vorbeugung von Korruption unterstützen. Diese Aufgabe ist der Erfahrung der italienischen Anti-Korruptions-Behörde nachempfunden, die damit beauftragt ist, Richtlinien zu etablieren, um die Verwaltung in der Ausarbeitung ihrer Anti-Korruptionspläne anzuleiten;
  • die Qualität und Effizienz der von der Verwaltung und den Körperschaften des öffentlichen Rechts angewandten Verfahren zu prüfen und
  • bei der Aufdeckung und Vorbeugung von Korruption zu helfen, unter anderem durch eine Koordination der Verwaltungen, eine Zentralisierung der Informationen sowie durch eine Unterstützung der Verwaltung und der Körperschaften des öffentlichen Rechts.

Gegenüber Unternehmen ist die Anti-Korruptions- Agentur berechtigt

  • die Einhaltung und die Umsetzung der im Rahmen des Gesetzes Sapin II vorgeschriebenen Maßnahmen zur Vorbeugung von Korruption durch die Unternehmen zu kontrollieren;
  • Empfehlungen zur Unterstützung der Unternehmen bei der Erstellung ihrer Compliance-Programme auszuarbeiten und so dafür zu sorgen, dass sie die allgemeine Präventionsverpflichtung einhalten, die ihnen durch dieses Gesetz auferlegt wird. Diese Empfehlungen werden regelmäßig aktualisiert und, wie es der Gesetzestext präzisiert, berücksichtigen die Größe des Unternehmens sowie die Art der festgestellten Risiken. Sie werden im Gesetzesblatt (Journal Officiel) veröffentlicht.
  • die Einhaltung des Gesetzes Nr. 68-678 vom 26. Juli1968 (loi de blocage – sog. Sperr-Gesetz) bei Verfahren zur Herstellung der Rechtmäßigkeit durch ausländische Behörden zu überwachen.

Was hingegen die Aufdeckung von Korruption betrifft, werden der neuen Agentur keine anderen Kontroll- und Sanktionsaufgaben übergeben, als die Umsetzung der Compliance-Programme zu überprüfen.

Die Aufgaben der Agentur werden in einer Ausführungsverordnung präzisiert werden.


Die Pflicht zur Einrichtung eines Compliance-Programms

Das Gesetz sieht vor, Unternehmen ab einer bestimmten Größe zu verpflichten, ein Compliance-Programm im Bereich der Korruptionsbekämpfung einzurichten.

Die betroffenen Unternehmen

Die betroffenen Unternehmen beschäftigen mehr als 500 Arbeitnehmer und erwirtschaften einen Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro, oder es sind Unternehmen, die einer Gruppe angehören, die mehr als 500 Arbeitnehmer umfasst und einen konsolidierten Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro erwirtschaftet und deren Muttergesellschaft ihren Sitz in Frankreich hat.

Die Verpflichtung lastet auf den gesetzlichen Ver-tretern der betroffenen Gesellschaften ebenso wie auf den Unternehmen selbst. Die Verfasser des Gesetzes haben vorgesehen, dass die Verpflichtung, ein Anti-Korruptions-Programm einzurichten, zur persönlichen Haftung der gesetzlichen Vertreter gehört und nicht delegiert werden kann.

Die Umsetzung von Maßnahmen und Verfahren

Das Gesetz listet die erforderlichen Maßnahmen und Verfahren, welche die betroffenen Unternehmen umsetzen müssen, präzise auf.

Verhaltenskodex. – Dieser Kodex definiert und beschreibt die verschiedenen untersagten Verhaltensweisen, die auf Korruption oder unerlaubte Einflussnahme hinweisen können. Er muss in die Betriebsordnung des Unternehmens aufgenommen werden und unterliegt daher gemäß Artikel L.1321-4 des französischen Arbeitsgesetzbuchs der Anhörung der Personalvertreter.

Internes Whistleblowing-Verfahren. – Dieses Verfahren soll den Arbeitnehmern die Möglichkeit eröffnen, auf Verhaltensmuster oder Situationen, die nicht im Einklang mit dem Verhaltenskodex des Unternehmens stehen, aufmerksam zu machen (sog. Whistleblower). Es ist anzumerken, dass das Gesetz in einem gesonderten Kapitel neue Bestimmungen einführt, die auf den verbesserten Schutz der Whistleblower abzielen und weiter unten erläutert werden.

Risikoanalyse. – Die Risikoanalyse erfolgt im Rahmen einer Dokumentation, die regelmäßig aktualisiert wird. Diese Analyse hat zum Ziel, die Risiken der Gesellschaft, wegen Korruption in Anspruch genommen zu werden, zu identifizieren, zu analysieren sowie zu bewerten. Insoweit ist insbesondere nach den Tätigkeitsbereichen und den geographischen Gebieten zu unterscheiden, in denen die Gesellschaft tätig ist.

Bewertungsverfahren. – Diese haben zum Ziel, die Situation von Kunden sowie von direkten und indirekten Zulieferern im Hinblick auf die gesetzlich vorgeschriebene Risikoanalyse zu bewerten.

Verfahren zur internen oder externen Überprüfung der Rechnungslegung. – Mittels dieser Verfahren soll sichergestellt werden, dass die Bücher, Register und Konten des Unternehmens nicht zur Verschleierung von Korruption oder unerlaubter Einflussnahme genutzt werden. Diese Überprüfungen können entweder durch die unternehmensinternen Controlling-Abteilungen vorgenommen werden oder durch einen herangezogenen externen Wirtschaftsprüfer anlässlich der nach Artikel L. 816-9 des französischen Handelsgesetzbuchs vorgesehenen Rechnungsabschlussprüfung. 

Schulungsprogramm. – Eine spezifische Schulung ist für leitende Angestellte sowie für Arbeitnehmer, die dem Risiko von Korruption am stärksten ausgesetzt sind, vorgesehen.

Disziplinarverfahren. – Dieses Verfahren ermöglicht die Sanktionierung der Arbeitnehmer der Gesellschaft im Fall der Verletzung der in dem Verhaltenskodex aufgestellten Vorschriften.

Kontrollmechanismus und eine interne Auswertung. – Ziel ist die Kontrolle der im Rahmen des Compliance-Programms zur Vorbeugung von Korruption umgesetzten Maßnahmen und die Bewertung ihrer Wirksamkeit.

Wie oben erläutert, hat die Agentur insbesondere zur Aufgabe, Empfehlungen auszuarbeiten, die die Unternehmen in der Gestaltung und Umsetzung der Anti-Korruptions-Maßnahmen und Verfahren anleiten und ihnen damit ermöglichen sollen, ihre Präventionspflicht zu erfüllen.

Kontrollen und Sanktionen im Hinblick auf die Umsetzung der Präventionspflicht

Die Anti-Korruptions-Agentur hat zur Aufgabe, die Einhaltung der Präventionspflicht und die Einführung eines Compliance-Programms zur Bekämpfung von Korruption durch die betroffenen Unternehmen zu überwachen.

Zu diesem Zweck wird die Anti-Korruptions-Agentur mit Kontrollkompetenzen ausgestattet, die diese zu folgenden Maßnahmen befugt:

  • die Vorlage aller Geschäftsdokumente sowie aller Informationen anzufordern;
  • Überprüfung vor Ort, ob die zur Verfügung gestellten Informationen zutreffend sind und
  • Anhörung aller Personen, welche die Agentur für erforderlich hält.

Für den Fall, dass ein Verstoß gegen die Präventionspflicht festgestellt wird, verfügt die Anti-Korruptions-Agentur über einen Sanktionskatalog, welcher Maßnahmen von einer einfachen Abmahnung bis hin zu Geldstrafen von bis zu EUR 200.000 für natürliche Personen sowie bis zu EUR 1.000.000 für juristische Personen umfasst.

Auswirkungen der Einführung eines Compliance-Programms

Das Gesetz beschränkt sich darauf, Sanktionen vorzusehen, für den Fall, dass kein Compliance-Programm im Bereich Anti-Korruption eingeführt wurde oder dieses unzureichend ist. Allerdings wird die Tatsache, dass eineffizientes Compliance-Programm eingerichtet wurde, bedauerlicherweise nicht berücksichtigt, um ggfs. die strafrechtliche Haftung des Unternehmens zu beschränken bzw. ganz auszuschließen.

Auswirkung der Präventionspflicht auf die Unternehmen

In der Praxis bedeutet die Einführung der Präventionspflicht, dass die Unternehmen, die bereits ein entsprechendes Compliance-Programm eingeführt haben, dieses hinsichtlich der neuen gesetzlichen Anforderungen überprüfen und gegebenenfalls anpassen müssen. Insbesondere die Unternehmen, die einem CRS-Reporting unterliegen, müssen im Hinblick auf die neue Präventionspflicht die Kohärenz der im Rahmen des CRS-Reporting mitgeteilten Informationen sicherstellen. Die übrigen Unternehmen müssen dafür sorgen, dass sie ihrer Präventionspflicht nachkommen, indem sie zunächst eine Risikokartographie erstellen und auf dieser Grundlage die erforderlichen Maßnahmen sowie die zu schulenden Arbeitnehmer identifizieren.

Inkrafttreten der Pflicht zur Einführung eines Compliance-Programms

Die Pflicht zur Einführung eines Compliance-Programms zur Vorbeugung von Korruption tritt am ersten Tag des sechsten auf die Verkündung des Gesetzes folgenden Monats in Kraft. 

Nebenstrafe: Verpflichtung zur Einführung eines Compliance-Programms

Das Gesetz sieht vor, dass ein Unternehmen, das der Korruption und der unerlaubten Einflussnahme überführt worden ist, in Form einer Nebenstrafe zur Einführung eines Compliance-Programms verpflichtet werden kann. Die Einführung eines solchen Programms erfolgt dabei unter Aufsicht der Anti-Korruptions-Agentur. Wird diese Nebenstrafe nicht erfüllt, kann gegen den Vertreter des Unternehmens eine Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren und/oder eine Geldstrafe in Höhe von EUR 30.000,00 verhängt werden. Das Unternehmen selbst kann in diesem Fall zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt werden, die der Höhe nach der Geldstrafe für den Straftatbestand entspricht, aufgrund dessen das Unternehmen zu der Nebenstrafe verurteilt wurde.


Strafrechtlicher “Deal”

Das französische Strafrecht sieht neben der Strafbarkeit natürlicher Personen auch eine Strafbarkeit juristischer Personen vor. Im Falle einer Verurteilung einer juristischen Person wegen einer Wirtschaftsstraftat wird diese grundsätzlich automatisch für einen Zeitraum von fünf Jahren von allen öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen. Daher ist die Möglichkeit eines strafrechtlichen Vergleichs für juristische Personen oftmals eine Frage des wirtschaftlichen Überlebens, insbesondere wenn diese auf öffentliche Aufträge angewiesen sind.

Trotz des Widerstands des Staatsrates und einiger Richter, haben die französischen Parlamentarier im Rahmen des Gesetzes die Möglichkeit eines strafrechtlichen Vergleichs – eine sogenannte Vereinbarung im öffentlichen Interesse (convention judiciaire d’intérêt public) – für bestimmte Wirtschaftsstraftaten vorgesehen. Diese neue Regelung, die weitgehend auf den Empfehlungen von Transparency International Frankreich basiert, soll in den Bereichen Korruption sowie Wäsche von durch Steuerbetrug erzielten Geldern einen Vergleich zwischen Unternehmen und Staatsanwaltschaft ermöglichen, soweit eine Klage noch nicht erhoben wurde. Die im Rahmen eines solchen “Deals” vereinbarte Strafzahlung kann dabei maximal 30% des von dem Unternehmen durchschnittlich während der letzten drei Jahre erzielten
Umsatzes betragen. Zudem muss sich das Unternehmen verpflichten, unter der Aufsicht der Anti-Korruptions-Agentur für einen Zeitraum von maximal drei Jahren ein Compliance-Programm einzuführen.

Die Möglichkeit, im Falle eines Verstoßes einen strafrechtlichen Vergleich abzuschließen, muss dabei als notwendiges Regulativ zu der neuen durch das Gesetz Sapin II vorgesehenen Pflicht zur Einführung von Maßnahmen zur Vorbeugung und Aufdeckung von Korruption betrachtet werden. Tatsächlich sehen die gesetzlichen Regelungen in Frankreich aktuell keine Möglichkeit für die Unternehmen vor, im Falle der Aufdeckung eines Verstoßes diesen in Zusammenarbeit mit den Behörden zu beseitigen. Informiert das Unternehmen die Behörden über den festgestellten Verstoß, riskiert es eine strafrechtliche Verurteilung und damit einen automatischen Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren für die nächsten fünf Jahre. Diese schwerwiegende Folge setzt regelmäßig das wirtschaftliche Überleben des Unternehmens und damit auch die Arbeitsplätze in dem Unternehmen aufs Spiel.

Der Abschluss eines strafrechtlichen Vergleichs als einvernehmliche Regelung hat dabei weder ein Schuldanerkenntnis noch eine Verurteilung zur Folge. Dementsprechend erfolgt kein automatischer Ausschluss der betroffenen Unternehmen von öffentlichen Vergabeverfahren. Die Erfüllung der Vergleichsbedingungen beendet das Strafverfahren. Die infolge des Verstoßes Geschädigten sind allerdings weiterhin berechtigt, ihre Schadensersatzansprüche vor einem Zivilgericht geltend zu machen. Weiterhin ist die Einstellung des Strafverfahrens auf die juristische Person beschränkt. Die rechtlichen Vertreter der juristischen Person können dementsprechend auch nach Abschluss eines strafrechtlichen Vergleichs weiterhin strafrechtlich verfolgt werden.

Im Fall, dass die Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluss eines strafrechtlichen Vergleichs scheitern, kann der Staatsanwalt im weiteren Verfahren, Erklärungen durch das Unternehmen, die im Rahmen der Verhandlungen erfolgten, sowie die in diesem Zusammenhang zur Verfügung gestellten Dokumente nicht verwerten.


Schutz von Whistleblowern

Aus Angst vor unberechtigten Denunziationen steht Frankreich seit jeher dem Whistleblowing skeptisch gegenüber.

Nur schrittweise wurden sogenannte Hinweisgeber im Rahmen der französischen Gesetzgebung berücksichtigt. Der Schutzstandard wurde nun noch immer als unzureichend bewertet. Daher wurden in das Gesetz Sapin II Bestimmungen aufgenommen, die Whistleblower effizient schützen sollen und Unternehmen mit mehr als 50 Arbeitnehmern verpflichten, ein Whistleblowingsystem einzurichten.

Nach der im Gesetz Sapin II enthaltenen Definition ist unter einem Whistleblower eine natürliche Person (und keinesfalls eine juristische Person) zu verstehen, die ein Verbrechen oder ein Vergehen bzw. einen schweren und offensichtlichen Verstoß gegen ein internationales Abkommen, das von Frankreich ratifiziert oder genehmigt wurde, gegen eine einseitige Entscheidung einer internationalen Organisation, die auf Grundlage eines entsprechenden Abkommens getroffen wurde, gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Bedrohung oder eine schwerwiegende Beschädigung des allgemeinen Interesses, von der er persönlich Kenntnis erlangt hat, aufdeckt oder anzeigt. Das Gesetz stellt dabei klar, dass Informationen, die unter das Verteidigungsgeheimnis sowie unter die ärztliche oder anwaltliche Schweigepflicht fallen, nicht erfasst sind.

Der Hinweisgeber muss gutgläubig sein und in uneigennütziger Absicht handeln. Folglich darf der Hinweisgeber nicht aus finanziellen Motiven handeln und die Aufdeckung von vorwerfbarem Verhalten nicht beruflich betreiben (wie dies beispielsweise für Arbeitsinspektoren, Richter oder investigative Journalisten der Fall ist).

Jeder, der die Möglichkeit eines Whistleblowing einschränkt oder behindert, wird mit einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und/oder einer Geldstrafe in Höhe von EUR 15.000 bestraft. Wird Klage wegen Diffamierung eines Whistleblowers erhoben, beträgt die Geldstrafe EUR 30.000 (anstelle von EUR 15.000). Das Gesetz Sapin II sieht vor, dass sich der Whistleblower zunächst zwingend an seinen direkten oder indirekten Vorgesetzten, seinen Arbeitgeber oder an einen von diesem benannten Vertreter wenden muss.

Um eine interne Ermittlung zu ermöglichen, verpflichtet der Gesetzgeber juristische Personen des privaten sowie des öffentlichen Rechts, die mindestens 50 Arbeitnehmer beschäftigen, ein internes Whistleblowing-Verfahren für die Hinweise ihrer Arbeitnehmer sowie externer oder gelegentlicher Mitarbeiter einzurichten.

Dieses Whistleblowing-Verfahren muss dabei absolute Vertraulichkeit sowohl der Identität des Whistleblowers gewährleisten, als auch der Personen, auf die sich der Hinweis bezieht und der übermittelten Informationen. Ein Verstoß gegen diese Vertraulichkeitspflicht wird mit einem Jahr Gefängnis und/oder einer Geldstrafe von EUR 30.000 sanktioniert.

Erfolgt auf den Hinweis des Whistleblowers durch seinen Empfänger keine Reaktion innerhalb einer angemessenen Frist, ist der Whistleblower berechtigt, sich an Verwaltungs- sowie Strafverfolgungsbehörden oder an die Berufsverbände zu wenden. Gehen diese Stellen dem Hinweis nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten nach, kann der Whistleblower die Tatsachen veröffentlichen. Allerdings ist der Whistleblower im Fall einer schwerwiegenden und unmittelbar bevorstehenden Gefahr oder eines Risikos irreversibler Schäden berechtigt, seinen Hinweis direkt an die Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln und diesen zu veröffentlichen.

Ergänzend sieht das Gesetz Sapin II ein spezielles Verfahren für den Finanzmarkt-Bereich vor. Demnach müssen die beiden Aufsichtsbehörden, die AMF (Autorité des marchés financiers) sowie die ACPR (Autorité de contrôle prudentiel et de résolution), ein entsprechendes Whistleblowing-Verfahren für Hinweise von Arbeitnehmern der Unternehmen in diesem Wirtschaftszweig einrichten.

Zum Schutz der Whistleblower sieht das Gesetz Sapin II mehrere Maßnahmen vor.

Eine Veröffentlichung der Daten, die eine Identifizierung des Hinweisgebers ermöglichen, soll – außer gegenüber den Strafverfolgungsbehörden – nur mit Zustimmung des Betroffenen erfolgen. Im Übrigen soll im Falle einer Weitergabe gesetzlich geschützter Informationen eine strafrechtliche Verfolgung des Hinweisgebers ausgeschlossen sein, wenn die Informationsweitergabe im Hinblick auf den Schutz der gefährdeten Interessen notwendig und angemessen war und unter Einhaltung des gesetzlich definierten Hinweisgeberverfahrens erfolgt ist.

Zudem umfasst das Gesetz einen besonderen Schutz des Whistleblowers im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber. Demnach kann der Hinweisgeber nicht von einem Bewerbungsverfahren, einem Praktikum oder einer Weiterbildung ausgeschlossen werden. Ebenso darf der Hinweisgeber nicht sanktioniert, gekündigt oder anderweitig direkt oder indirekt diskriminiert werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Gehalt, Beförderung, Versetzung oder auch Weiterbeschäftigung.

Im Streitfall und soweit der Whistleblower Elemente vorweisen kann, die vermuten lassen, dass er in gutem Glauben gehandelt hat, muss der Arbeitgeber nachweisen, dass die in Frage stehende Sanktion objektiv gerechtfertigt ist und in keinem Zusammenhang mit dem Whistleblowing steht.

Das Gesetz stellt darüber hinaus klar, dass ein Whistleblower unbeschadet der Gerichtskostenhilfe zusätzlich eine finanzielle Unterstützung durch den Bürgerrechts- und Gleichstellungsbeauftragten (Défenseur des droits) in Form eines Vorschusses auf die Prozesskosten in Anspruch nehmen kann.

Darüber hinaus ist der Bürgerrechts- und Gleichstellungsbeauftragte berechtigt, dem Whistleblower eine vorübergehende finanzielle Unterstützung zuzuwenden, wenn dieser durch das Whistleblowing in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten geraten und seine Existenz gefährdet ist.

In diesem Zusammenhang sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Unternehmen im Rahmen ihrer Pflicht zur Vorbeugung von Korruption ein internes Meldesystem einrichten müssen. Dieses Meldesystem muss den Anforderungen zum Schutz von Whistleblowern Rechnung tragen.


Pflicht zur Identifizierung und Anzeige der wirtschaftlichen Eigentümer (UBO)

Ebenso im Sinne des Gesetzes und zur Verbesserung der Bekämpfung von Terrorismus, Geldwäsche und Korruption wurde ein Register über die wirtschaftlichen Eigentümer eingeführt. Diese neue Verpflichtung findet Anwendung auf Gesellschaften, die ihren Gesellschaftssitz in Frankreich haben sowie auf Niederlassungen ausländischer Gesellschaften, die in Frankreich eingetragen sind.

Diese Unternehmen müssen zum Zeitpunkt ihrer Eintragung dem Handelsregister Informationen bezüglich ihrer wirtschaftlichen Eigentümer übermitteln und diese später regelmäßig aktualisieren.

Die Informationen, die abgegeben werden müssen, werden noch durch ein Durchführungsdekret detailliert werden, ebenso wie die Informationen, die der Öffentlichkeit zugänglich sein werden und solche, zu denen nur die zuständigen öffentlichen Behörden Zugang haben werden. Die Vorschrift wird am 4. Monat nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten.

Diese Vorschriften vervollständigen die im französischen Finanz- und Währungsgesetz bereits existierenden Bestimmungen zur Bekämpfung der Geldwäsche. Darin wird der wirtschaftliche Eigentümer definiert als “die natürliche Person, die den Kunden oder die Person, für die eine Transaktion ausgeführt oder eine Handlung durchgeführt wird, unmittelbar oder mittelbar kontrolliert” (Artikel L561-2-2). Diese Definition dürfte auch im Rahmen der neuen Verpflichtung zur Anzeige des wirtschaftlichen Eigentümers Anwendung finden.


Umsetzung der EU-Richtlinie zum Kartellschadensersatz

Verletzungen von Artikeln 101 und 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind nicht nur Gesetzesverstöße sondern haben auch Folgen für die tatsächlichen Opfer: Verbraucher, Kunden von Unternehmen, die einen Verstoß begangen haben oder Kunden von Wettbewerbern.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat daher entschieden, dass jeder Bürger oder jede Organisation Anspruch auf umfassenden Schadensersatz für einen aufgrund einer Verletzung der Wettbewerbsregeln entstandenen Schaden hat. Um sicherzustellen, dass alle Hindernisse für eine tatsächliche Entschädigung der Opfer aufgehoben sind, wurde die Richtlinie 2014/104 bezüglich Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen am 26. November 2014 verabschiedet.

Die Mitgliedstaaten müssen diese Richtlinie bis zum 27. Dezember 2016 in ihr nationales Recht umsetzen. Derzeit ist die Umsetzung nur in zwei Staaten zumindest teilweise erfolgt: Lettland und Schweden.

Das Gesetz Sapin II ermächtigt die Regierung, in den 6 auf die Verkündung folgenden Monaten eine Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie zu erlassen. Diese Bestimmung des Gesetzes Sapin II ermöglicht der Regierung, das Verfahren zu beschleunigen und Bereiche, die eigentlich durch ein Gesetz geregelt werden müssen, per Verordnung zu behandeln.

Sobald die Verordnung zur Verfügung steht, werden wir Sie darüber informieren.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist festzustellen, dass diese Bestimmungen Schadensersatzklagen erleichtern dürften, was wiederum Unternehmen dazu anhalten sollte, die zivilrechtlichen Folgen von Wettbewerbsverstößen zu berücksichtigen und somit ihre Antitrust-Compliance-Programme zu verbessern.

Das Compliance-Programm im Bereich Korruptionsbekämpfung wird sicherlich in den nächsten Monaten die Priorität der Unternehmen darstellen, wobei diese allerdings auch nicht aus den Augen verlieren sollten, dass die Programme im Bereich Antitrust ebenfalls ständig weiterentwickelt werden müssen.


Neue Regelungen für Handelsbeziehungen

Das Gesetz Sapin II enthält mehrere Bestimmungen, die sich auf den Abschnitt “Zur Transparenz, zu wettbewerbsbeschränkenden Praktiken und anderen verbotenen Praktiken” des französischen Handelsgesetzbuches beziehen (Titel IV des Buches IV). Diese Bestimmungen werden Einfluss auf die Verhandlungen zwischen Unternehmern haben.

Mehrjährige Vereinbarung

Ab dem 1. Januar 2017 müssen die Vereinbarungen über die Preise nicht mehr zwingend im Jahresrhythmus abgeschlossen werden: Zulieferer können nunmehr im Rahmen der Verhandlungen mit den Vertriebshändlern, Dienstleistern oder Großhändlern eine Preisverein-
barung abschließen, die für zwei oder drei Jahre gilt.

Es bleibt nach wie vor verpflichtend, diese Vereinbarung bis spätestens zum 1. März des Jahres, in dem sie gelten soll, abzuschließen. Unterliegen die Produkte oder Dienstleistungen einem besonderen Verkaufszyklus, muss die Vereinbarung innerhalb von 2 Monaten nach Beginn der Verkaufsperiode abgeschlossen werden.

Wenn die Vereinbarung für eine Dauer von über einem Jahr abgeschlossen wird, müssen darin die Modalitäten für eine Preisrevision enthalten sein. Es kann dabei auf öffentliche Indizes Bezug genommen werden, die die Preisentwicklung der verschiedenen Produktionsfaktoren widerspiegeln.

Zahlungsfristen

Sonderbestimmungen für den Großexport

Im Fall des Verkaufs von Waren durch einen Hersteller, Dienstleister, Großhändler oder Importeur für Zwecke des Großexports wurde eine Abweichung von den allgemeinen Zahlungsfristen eingeführt. Während die maximale Frist unter dem alten Gesetz 60 Tage ab Ausstellung der Rechnung betrug, kann die Zahlungsfrist laut dem Gesetz Sapin II auf 90 Tage verlängert werden, wenn es sich um Warenkäufe handelt, die für eine Lieferung außerhalt der EU bestimmt sind und gemäß Artikel 275 des französischen Steuergesetzbuchs nicht der Mehrwertsteuer unterliegen.

Diese Erhöhung um 30 Tage dient dazu, die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer exportierender Handelsunternehmen zu verbessern, da Kunden außerhalb der EU oftmals Zahlungsfristen anwenden, die länger sind als die vom französischen Recht vorgesehenen. Käufe von Großunternehmen im Sinne des Gesetzes zur Modernisierung der Wirtschaft sind von diesen Bestimmungen ausgenommen.

Die 90-tägige Zahlungsfrist muss ausdrücklich im Vertrag vereinbart werden. Sie darf nicht zu einem offensichtlichen Missbrauch gegenüber dem Gläubiger führen. Das Gesetz sieht vor, dass wenn die Bedingungen eines Exports der Waren in einen Staat außerhalb der EU letztlich doch nicht vorliegen, Verzugszinsen im Sinne von Artikel L.441-6 I Abs. 12 des Handelsgesetzbuchs fällig werden. Damit gilt der aktuelle von der Europäischen Zentralbank für ihr Refinanzierungsgeschäft angewandte Zinssatz erhöht um 10 Prozentpunkte. Klärungsbedarf besteht weiterhin bezüglich des Beginns der Verzugszinsen.

Verstärkung der Sanktionen

Werden die Bestimmungen zu den Zahlungsfristen von juristischen Personen nicht beachtet, greifen erheblich verstärkte Sanktionen.

Zunächst wurde für den Fall der Nichtbeachtung von Artikel L.441-6 des Handelsgesetzbuchs das verwaltungsrechtliche Bußgeld von EUR 375.000 auf EUR 2 Mio. erhöht, wobei dies gleichermaßen für die Zahlungsfristen gilt, als auch für die in den Zahlungsbedingungen aufzuführenden zwingenden Angaben über die Modalitäten der Festsetzung des Zinssatzes oder die Fälligkeitsvoraussetzungen für die Verzugszinsen und die Berechnungsmodalitäten der Zahlungsfristen. Das Bußgeld ist ebenfalls erhöht für Fälle der Nichtbeachtung der besonderen Zahlungsfristen, die für den Sektor der Nahrungsmittelverarbeitung oder für öffentliche Unternehmen gelten.

Darüber hinaus wird die Sanktionsentscheidung der Behörde “in jedem Fall veröffentlicht”, was zu einem Bekanntwerden der Unternehmen, die den Bestimmungen zuwider handeln, führen wird.

Der durch die Senatoren angerufene französische Verfassungsrat hat in einer Entscheidung vom 8. Dezember 2016 erklärt, dass diese Anpassungen des französischen Handelsgesetzbuchs im Bereich der Zahlungsfristen und der Bußgelder bei Nichtbeachtung der Regeln mit den Prinzipien der Notwendigkeit, der Proportionalität der Strafen und der Rechtmäßigkeit vereinbar sind. Der Staatsrat hatte in einer Entscheidung vom 24. März 2016 bestätigt, dass die Bestimmungen über die systematische Veröffentlichung insoweit rechtmäßig sind, da die Dauer der Veröffentlichung und die Modalitäten je nach den Umständen des Einzelfalls angepasst werden können.

Ein Punkt wurde dem Verfassungsrat jedoch nicht zur Prüfung vorgelegt: Bei mehrfachen Verstößen gibt es nach dem Gesetz Sapin II keine Deckelung mehr bei mehreren Sanktionen, die vormals in Artikel L.465-2 VII des Handelsgesetzbuchs vorgesehen waren. Mehrere verwaltungsrechtliche Sanktionen können nunmehr ohne höhenmäßige Beschränkung kumulativ angewendet werden.

Wettbewerbsbeschränkende Praktiken

Neuigkeiten

Die Beschreibung wettbewerbsbeschränkender Praktiken, die in Artikel L.442-6 des Handelsgesetzbuchs enthalten ist, wird durch das Gesetz Sapin II vervollständigt.

Da sich die mehrjährige Vereinbarung für die Preisanpassung auf einen öffentlichen Index beziehen kann, ist es ausdrücklich verboten, eine Preisanpassungsklausel oder Neuverhandlungsklausel vorzuschreiben, die sich auf Indizes bezieht, die keinen unmittelbaren Bezug zu den Produkten oder Dienstleistungen haben, die von der Vereinbarung umfasst sind.

Zudem ist es nunmehr verboten, seinem Handelspartner im Falle des Vorliegens höherer Gewalt Verzugszinsen aufzuerlegen. Der Versuch wird ebenfalls sanktioniert.

Schließlich wurde die Liste der Vorteile erweitert, deren Erhalt eine wettbewerbsbeschränkende Praktik darstellen kann, wenn dem keine Leistung gegenübersteht oder wenn der Vorteil im Verhältnis zum Wert der Leistung in einem offensichtlichen Missverhältnis steht: Das Gesetz bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass ein solcher Vorteil einerseits in der Finanzierung einer
Werbeaktion bestehen kann, wovon neuartige Werbeinstrumente umfasst sein können, und andererseits in der Vergütung der Dienstleistungen einer internationalen Einkaufszentrale.

Verstärkung der Sanktionen

Die Sanktionen für den Fall der Nichtbeachtung der wettbewerbsbeschränkenden Praktiken sind erheblich angehoben worden: Das zivilrechtliche Bußgeld wurde von EUR 2 Mio. auf EUR 5 Mio. angehoben, und alle Sanktionsentscheidungen werden systematisch veröffentlicht.

Preistransparenz für landwirtschaftliche Produkte

Neue Bestimmungen gelten insbesondere für bestimmte landwirtschaftliche Produkte, Hochseefischfang und Aquakulturprodukte. Damit soll insbesondere die Transparenz der durch die Industriellen vorgeschlagenen Preise erhöht werden, und zwar sowohl in ihren AGB über den Verkauf von Nahrungsmitteln, die ein oder mehrere nicht weiterverarbeitete landwirtschaftliche Produkte enthalten, als auch in den Verträgen, die eine Dauer von weniger als einem Jahr haben und sich auf die Konzipierung und die Herstellung von landwirtschaftlichen Produkten beziehen, unter Berücksichtigung der Modalitäten der jeweiligen Käuferanforderungen, insbesondere bei Produkten unter Händlermarke.


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